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Anton Wildgans
Buch
der Gedichte . 1. Auflage 1929
Auf den Tod einer großen Hure
Eine große Hure ist gestorben,
Sie besangen Dichter, sie verwirrte Denker,
Mächtige des Goldes, Staatenlenker
Haben sie umworben und verdorben.
Gattinnen verweinten Schmerz und Wut
Ihrethalben in verwaiste Kissen,
Freunde lernten Freunde hassen, Blut
Floß um Liebespfänder, ihr entrissen.
Im Begiergetümmel, Glied an Glied,
Auf dem Feld zerstampfter Frauenehre
Riß sie die gezückten Männerspeere
In den Schoß sich als ein Winkelried.
Auf dem letzten Schragen liegt sie nun,
Ein Kadaver, eingeschrumpft zum Kind:
Süße Mumie, gib Laut! Wo sind
Jetzt die Kavaliere, die aus deinen Schuhn
Den Champagner tranken? - Fort wie Wind.
Von dem Siechenhaus des Dorfs, aus dem sie kam
Einst als reines Blut ins große Leben,
Humpelt's, hüstelt's: Triefaug, Blöd und Lahm
Wollen ihr die letzte Ehre geben!
Gähnend gürtet sich das Zingulum
Der Kaplan zum Dienst der Bettelleiche.
Kaum ein Wachsstumpf brennt im Heiligtum
Für den Sarg aus nachgemachter Eiche.
Vaterunser plärrt ein Pfründnerweib,
Ohne Trinkgeld läutet faul der Türmer,
Und im Lehmloch rüsten schon die Würmer
Zu dem Schmaus an diesem Elendsleib!
Anton
Wildgans . 1881 - 1932
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