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Gedichte, Lyrik, Poesie

Und hättet der Liebe nicht
162 Bücher



Anton Wildgans
Und hättet der Liebe nicht . 1. Auflage 1911



Häftlinge

Vom langen Gange im Landesgericht
Sieht man hinaus auf den Sträflingstrakt.
Dort drückt sich manches blasse Gesicht
Auf Schultern, in graues Zeug gesackt,
An die Fensterstäbe und blinzelt ins Licht.

Und unten im Hofe Paar für Paar
Um das Viereck von Sträuchern und tristem Grün
Wandert, wie Tiere im Kreis, eine Schaar,
Und hinter der Augen verlorenem Glühn
Wandert mit ihnen, was draußen war.

Die beiden Soldaten, die Posten stehn,
Wachen nur, daß keiner der Reihe entbricht.
Aber die Bilder, die mit ihnen drehn -
Immer im Kreise - die sehen sie nicht,
Die beiden Soldaten, die Wache stehn.

Und wars auch nur Elend, was jeder verließ -
Jetzt ahnen sie erst, wie viel es war,
Dies Elend, das immer noch Freiheit hieß
Und jetzt ihnen abfiel so fremd wie das Haar
Vom Kopf, den man jedem scheren ließ.

Und ist ihrer keiner so sehr verrucht,
Daß nicht irgend wer seine Unschuld beschwört
Und für ihn betet und für ihn flucht
Auf Gott, der nur die Reichen erhört
Und die Armen preisgiebt und sie versucht.

Und jeder von ihnen war einmal gut
Und hatte was lieb und hatte Scham,
Bis plötzlich ein Fremdes wie jähe Flut
Ihn überschwemmte und mit sich nahm -
Für diesen wars Gold und für jenen wars Blut.

Nun gehn sie im Hofe Paar für Paar
Um das Viereck von Sträuchern und tristem Grün,
Immer im Kreis eine brütende Schaar,
Und hinter der Augen verlorenem Glühn
Wandert mit ihnen, was draußen war.


  Anton Wildgans . 1881 - 1932






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