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Klabund
Die
Himmelsleiter . 1. Auflage 1916
Ode an Zürich
Wie liegst du, grosse Stadt und kleines Kind,
Im Frühling blühend an den See gebettet!
Mit Arabesken Rauches spielt der Wind,
Der sich beschaulich auf den Dolder rettet.
Es summen kleine Schiffe bienengleich;
Ein Dampfer peitscht die blau empörten Wogen.
Am Ufer zuckt ein Vogel, und das Reich
Des Glärnisch zeigt sich ihm im Felsenbogen.
Die Bahnhofstrasse raschelt, Morgenmarkt,
Von Fraun durchwandert und von Trams durchläutet.
Hier steht ein Mann, der mit Zitronen kargt,
Und dort ist Pilz ein Traum, der Sein bedeutet.
Man nennt dich schweigend, dumpfes Niederdorf,
Doch seist auch du im Sange nicht vergessen,
Von Menschen und von Häusern morsch wie Torf,
Von faulem Lust- und Fischgeruch besessen.
Du arme Amazone, bunt beklebt,
Du hagrer Mann am rostigen Klaviere,
Es ist doch euer Leben, das euch lebt,
Geschwister ihr der feuchten Krötentiere.
Wie lockt mich eines, dass ich alles fasse:
Hier See und Wolke, Alpe, Mond und Wald
Und dort der Grossstadt steinerne Terrasse,
Wo urwaldfremd der Schrei des Autos schallt.
Hier Einfachheit im biedersten Vergnügen;
Und dort der irre Garten Nemesis,
Beglückt mit Nelken und durchfurcht von Pflügen
Und schlimm bedroht von Ratt- und Schlangenbiss.
Ich darf im Arm der Freiheit fröhlich schlafen,
Und Zürich heisst mir mehr als: Ort am See.
Es heisse: Blumenauge, Alpenhafen
Und sonnengold beglänzte Danaë.
Klabund
. 1890 - 1928
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