162 Bücher
|
Klabund
Dreiklang
. 1. Auflage 1920
III. Der Tierkreis
I
Hinsiechend
Am Eiland ich
Dem dunklen
Zu Fischen weiss
Umarmung
Und des Kraters Bläue
Zersprengt den Turm.
Die goldne Brust
An Brüsten hängend
Tönt.
II
Gebot den Tieren ich
Gelockter Griffler
Das Grasgebet.
O Grillenglück
Und Glockengrab
Glycinenhin
Wenn regenbogenüberwölkt
Ein Geist
Dem Geisternden die gute Grube gräbt.
III
Denn uns genügt
Das heilige Haus
Kein neuer Name
Unser Wunsch
In Magdalenas Schoss
Sich's silbern weint
Dem Teufel stürzt
Theophilos.
Wir haben Fäuste
Aber öffnend sie
In ihnen hell die Wundenmale brennen.
Wir sind erblindet
Aber öffnend Auge
Ach
Ein Blutbach springt
So elend wir
So heilig
Altersher.
IV
War Elend viel
Mit Läusen über mich.
Die Fliegenlaus
Bevölkerte meinen Silberbauch
Trank Blut
Trank Traum
Wenn tags ich in Ruinen schlief.
Aber des Nachts
Ich tagte.
Um manchen Stern
Mein Flügel wehte
Sich bauschend unter Falterraub und Wind.
V
Zu Ende
Zahmer Zeisig
Federbrücke von Fleisch zu Fleisch
Liederbogen von Land zu Land
Ich lahme
Ich hinke
Dein Schnabel halb geöffnet
Schnappt Tod
Wie schwarzen Käfer.
Er summt
Er surrt
Du singst
Du schwingst
Ich falle.
VI
Ein Siebenschläfer scharrt
Den Schlaf mir von der Stirn
Pudert
Mir Mund und Wange
Mit dem Schweif
Macht Männchen
Im Bettchen
Macht Weibchen
Im Bettchen
Macht Kindchen
Im Bettchen
Entwischt.
VII
Pfauenauge
Schwalbenschwanz
Auf Fittichen
Den Blütenstaub
Von Mandel Pfirsich und Resede.
Himmlisch
Blühende!
Welch Los euch blüht!
Schon wetzt die Amsel
Ihren Dolch.
Im Laub die Jungen kreischen.
Oder ein grosser Frosch
Hüpft aus dem Teich bis in den Himmel
Und schluckt
Den Blütenstaub von Mandel und Resede
Das Pfauenaug den Schwalbenschwanz
Die erste Früh-
Die letzte Abendröte.
VIII
Absalom
In Bäumen hangend
Nadelgrün
Der Heerwurm zieht
Lebender Leichnam
Tausend weisse Leichen
Er blind marschiert
In Finsternis
Dem blinden Führer
Folgend
Am Seil der Parzen.
In Finsternis
Er schwärmt.
Er schwillt
Kehrt in die Burg
Bei Tage früh
Dieweil du dörrest
Hangest
In der Mittagsglut
Verwest
Zerspellt
Zerfressen
Absalom.
IX
Regen
Löscht die Worte
Die ich schreibe
Auf den Steintisch
Löst in Tränen sie
Manche aber
Blöcke sind es
Mit der Steinaxt steingehackt
Darüber
Regen schleiert
Tropft in Löcher
Die das Herz hob
Und ein kleiner Quell entspringt ins Licht.
X
Im Bambus
Der Nachtwind klirrt
Räuber
In den Palmen
Der Dieb.
Aber an deinen Wimpern
Er zittert
Wie ein dunkles Licht
Oder wie der Flügelhauch
Einer längst verwehten Fledermaus.
XI
Das Ding bedingt sich
Steht
Bestätigung.
Das Auge kreist
Fängt Ferne
Fernstes nah.
Fernstes wird nah
In dir.
Nächstes zunächst
In dir.
Unbewusstes
Erschaut.
Ungewusstes
Erbaut.
Ungehörtes
Laut.
Ungekörtes
Braut.
XII
Die Kastanienkerzen
Sind entzündet
Und die Wolken
Im Mondlicht.
Hier meine Hand
Dir unters Herz gelegt
Zum Kinde.
Das leuchtet schon
Ein kleines Licht
Im Wald deines Schosses.
XIII
Wanderer Unterm Regenwind
Peitsche und Sichel in Fäusten
Wo weht mir Bruderbusch
Und Wind der Sterne?
Und Laub des Lächelns?
Ich habe meine Tat vertan
Und meinen Wunsch verwünscht
Mein Herz
Verplappert.
XIV
Oi oi
Ich habe gesehn
Die Frösche gespreizt liegen tot auf dem Rücken mit weissen Fliederbäuchen
Oder mit roten Löchern, Zisternen zerpickt und zerhackt
Schwimmend im Sumpfblau
Ihr Wasserkäfer
Ihr wilden Mörder!
Ich sah zucken die zahmen Molche
Klappend mit dem weichen Maule
Und wedelnd mit dem feuchten Schwanz.
Oi oi
Da wechselt der grüne Frosch
Vor Furcht die Farbe
Erblasste braun
Oi oi
Die kleine Würfelnatter starb
Im Sonnenbrand
So jung
Und im Blechgebäude
Das Salamanderweibchen
Geschwängert
Mit tausend Jungen.
Oi oi
So viel der Tiere
So viel des Todes
Wir bringen Tod
Und nichts als Tod
Oi oi
Wir Menschen.
Schlagen Kinder
Schlagen Frauen
Schlagen Hunde
Schlagen Pferdchen.
Uns scheucht nicht Hundeblick
Nicht Pferdehuf
Und nicht des Kindes weinerliche Stirn.
Wir schlagen - tot
Wir scheuchen - tot
Frau und Freund
Kind und Kröte
Rosenkäfer und Reh.
Wir bringen Tod
Im Korbe zu Markt.
Wir halten Tod feil
Unterm roten Schirm
Wie Orangen
Einmal Tod
Zweimal Tod
O tausendmal und immer wieder
So billigen
Tod.
XV
Wie so sanft leuchtest du
Silberner
Überm Meeresstreif
Im Bergbezirk
Die hellste Blüte.
Ihr Wellen
Gepanzerte Glöckner,
Wohin?
Am Lorbeerbaum
Und an den Mandeln
Vorbei.
Ins flache Feld
In brache Welt
Von hoch herab
Gefirstet
Gefürstet
Ins Meer.
XVI
Mein brüderlicher
Hund
Im Dornbusch
Tot -
Bauch schwillt
Die Haare fallen ab.
Der Leib
Mit Gas gefüllt
Schon rosig
Schwebt
Wie ein Ballon
Auf Jahrmarktfesten
Leicht
Zu Gott.
Indes wir Lebende vergeblich breiten
Die Brust der Sonne
Und das Herz dem Wind.
XVII
Ein alter Berg.
Ein altes Weib.
Das Hospiz
Bröckelt.
Eis und Felsen
Schlafen.
Nur ein Windstoss
Wacht.
Aus dem Tale die Tiefe
Steigt lodernd.
Schon brennt ein Blumenbusch
Am Abhang.
Schon weht ein Glockenruf
Ein Ziegenbart.
Ein kleines Mädchen
Lächelt aufwärts.
XVIII
Wie besteh ich
Gott
Vor dem Muttermolch
In der Mulde
Oder vor dem Brombeerfalter
Die Flügel grün gefaltet
Schaukelnd am Busch?
Weinen will ich
Eine Pfütze
Kaulquappenparadies
Dass Laub- und Wasserfrösche ihr entsteigen
Königlich
Und eines Tages ihr entspringt
Der braune Springfrosch
(Rana agilis)
Der Erde Stolz.
Libellen lächeln aus den Larven
Dem Aug entgegen
Welches sonnt
Und regnet.
Und fällt das Lid zu
Wird es Nacht sein.
Fahl
Nur hängt die Stirn der Mond am Horizont
Und glänzt den Sommernächten von Losone.
XIX
Hummelblüte
Der Himmel glüht
Im Amselnest.
Der wilde Hund zu meinen Füssen
Schläft
Nennt mich heut: Herr.
Die kleine Mücke
Trinkt mein Blut.
Ein schwarzer Käfer rollt
Die irdene Kugel: Zukunft
Daraus ein roter Falter
Oder ein Geschmeiss
Aasfliegen
In den nächsten Frühling tanzt.
XX
Grau Same
Fiel in mein Herz
Trieb trübe Blüten
Des ward ich grausam.
Ich spalte den Baum
Das Haus mir zu wärmen
Ich schlage die Frau
Die Hand mir zu wärmen.
Tränen
Schwangerer Mädchen
Sind mir ein Gelächter.
Einzeln reiss ich den Marienkäfern
Von der Madonna Wange träufelnd
Die bunten Beine aus
Dem Tausendfüssler
Neunhundertneunundneunzig Füsse
Dass er mit einem Fuss nur noch
Im Leben steht.
Maikäfer spanne ich am Schachtelwäglein:
Die braunen Flügelrosse
(Pegasus)
Kutschieren klobig durch das Firmament
Über die Milchstrasse.
Einen Maulwurf
Schnitt ich lebend auf
Da fielen
Ihm drei Kindlein aus dem Leib.
Die nahm ich
Nannte sie: Träumling Säumling Däumling
Spielte Märchen mit ihnen.
XXI
O diese zarten Kraniche
Im stelzenden Herbst.
Ich wehe
Weil der Wind weht.
Aber die zärtliche Nymphe
Schluchzt
Und die Goldkäfer
Gaukeln am Abgrund.
XXII
Es werden Tage kommen
Sonnenlose ohne Gelächter.
Brachfelder.
Kein Korn glänzt.
Leichen rollen in den Flüssen.
Die Eisenbahnen sind voll toter Fahrgäste.
Wer ein Herz hat weint
Hingebückt über das Jaucheloch.
Kahlkopf und Kohlkopf
Wechseln wie Wild.
Der Sieg ist versiegt
Viel Teppiche zerfasert.
Eine Tanne
Steht noch - vielleicht.
Das Gehörn einer Gemse
Hängt am Abgrund.
XXIII
Mausere dich!
Kleiner Vogel!
Rette dich
Vor den Ratten!
Überall Kloake
In Haus und Himmel.
Gott stinkt
Aus dem Maul.
Sein Magen
Voll Menschenfrass.
Sein Hirn
Voll Schlangen.
XXIV
Ich hörte die Nachtigall singen. Da ging die Sonne auf.
Ich hörte den Wind. Da ging ein Schiff unter.
Ich nahm ein Herz zu mir. Da zersprangen drei kristallene Schalen: die es getragen hatten: eine jede dreimaldrei Monate.
Ich wollte gut sein. Da dachte ich schlecht.
Ich liebte ein Reh. Da küsste ich eine Stallmagd.
Ich hoffte. Da war ich schon verzweifelt.
Ich lebte. Da starb ich schon.
Ich lächelte. Und Tränen rannen über meine Wangen.
Ich hob einen Rosenstab: Kameraden! - Und schlug euch den Schädel ein und brach euch das Rückgrat.
XXV
Ein dicker schwarzer Molch mit gelben Tupfen
Trägt vierzig Junge in seinem Leib.
Laicht sie ins Wasser.
(Sind sein nicht mehr - sind Sein ...)
Aber uns
Bleiben die vierzig Kinder
Wie Trauben am Stock.
Wollen gewartet sein
Bis sie gross sind.
Wollen genarrt sein
Bis sie weise sind.
Wollen gehegt sein
Wollen gepflegt sein
Und die Zimmer sollen gefegt sein.
Saturn frass seine vierzig Kinder -
Sie aber beschwerten seinen Bauch
Dass er sie von sich spie.
Da wurden sie,
Da wuchsen sie
Und wurden Riesen
Mit riesengrossem Maul.
Sie schlachteten
Den Vater.
Sie frassen
Die Gefrässigen
Das Vaterherz
Die Bruderbrust
Das Ahnenbein
Und sogen Mark
Aus kahlen Ahnenknochen.
XXVI
Wüsst ich den Weg nur
Unter die Erde
Zu den Maulwürfen.
Keine Augen mehr haben
Blind sein.
Sich nicht sehen
(Braune Erde Spiegel)
Dich nicht sehen
(Weisses Kleid am Saum der Welt.)
Die Nähmaschine rasselt
Näht meine kleinen zerrissenen Qualen zu
grossen Qual.
Die Mähmaschine rasselt
Mäht meinen Weizenkopf.
Das Hirn sät Körner
Blut-rot.
Sprosse: Rosenfeld.
Oder lass mich violetter von Terrassen hängen:
Glückselige Glyzine.
XXVII
Ich sehe den See.
Ich mehre das Meer.
Wo ein Baum ist wird Wald wachsen.
Die vielen Tränen!
Viel leichter
Vielleicht -
Die Sonne
Brandet im Blut.
Die Hunde
Heulen.
Mageres Mädchen!
Blondhaariges Beinchen.
Du magerst
Um mich.
(Die Kinder jaulen wie junge Hunde
In deinem Bauch.)
Schrei! Schrei!
Beiss dich wie ein Wasserkäfer in meine Brust und friss mich bei lebendigem Leibe
Oder in der glücklichen Gärten Umarmung:
Gottesanbeterin!
XXVIII
Ich fluche der Tat:
Sie hat vernichtet die Welt.
Ich wollte tun: das Gute
Es ward schlecht.
Ich wollte tun: das Rechte
Es ward ungerecht.
Fluch den Guttätern
Sie wurden Übeltäter
Denn die Tat ist schlecht in sich.
Fluch den Handelnden
Sie wurden Händler.
Die im Blute handelten -
Handeln jetzt mit Blut.
Sie markten
Mit ihrem Mark.
Sie feilschten
Mit ihrer Falschheit.
Handle nicht - so wirst du empfangen.
Lächle - so wirst du geliebt werden.
Schliesse die Augen - so wirst du sehen.
Du bist offenbar:
In dir.
Offenbare dich!
Das Werk ist nicht verwirkt.
Das Herz wird wirken.
Der Schmerz sich bezirken.
Die Faust sei genagelt ans Kreuz
Verdammt auf ewig
Zur Untat.
XXIX
Wolken haben sich gesammelt
Zu vernichten
Mich.
Steil
Stehe ich.
Donnert! blitzt! Ich biete mich dem zackigen Beile ...
Sause nieder aus dem Himmel!
Flamme
Guillotine!
Spalte
Meine Steinstirn!
Frei dann werden meine kleinen Falter
Welche unterm Hirngewölbe schmachten
Mit zusammengelegten Fittichen.
Aus dem Gefängnis
Meines Gehirns:
Sie fliegen in Frühling
Sie schweben in Schwärmen
Sie schwärmen.
Ein Regenbogen grüsst in sieben Farben
Die Siebenfarbenen.
Sie schwanken schwach im Abendwinde
Indes der Donner
Hinterm Fels
Verebbt.
Klabund
. 1890 - 1928
|
|
|
|