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Klabund
Irene
oder Die Gesinnung . 2. Auflage 1918
XVII
Es jagen
Die Jünglinge
Gegeneinander.
Mit ihrem Blute ist
Der Mohn betupft,
Die Wolke angemalt,
Der Fluß beglänzt.
Der Kugelregen
Rinnt und rinnt
Schon Tage-,
Monde-,
Jahrelang.
Ganz aufgeweicht der Boden:
Blaches Braun.
Kein Baum mehr Baum:
Die Händeäste abgehackt.
Kein Gras mehr Gras:
Verdorrt in Schlamm und Schmach.
Kein Dorf mehr Dorf:
Der Kirchturm brach ins Knie
Und betete zermalmt. Die Häuser flohn
In Kraterinneres.
Kahl kräht der Hahn auf Aas.
Das Schwein
Nagt an der Wange des Gefallenen,
Des Faust sich um des Mondes Sichel krampft,
Zu mähen Lug und Lüge,
Tand und Tod.
Ihr Jünglinge,
Wem opfert ihr die Brust?
Den blauen Blick?
Die heilige Scham?
Die Zukunft hüllt ihr Haupt,
Verhüllt es schwarz
Mit ihres Haares Pelz,
Und niemand kennt
Ihr Schicksal: sei es Falter oder Fels.
Ihr Jünglinge!
In jedem stirbt ein Herz,
Ob er auch lebend mit den Leichen geh.
Der Mund lallt Leichtigkeit,
Die Sehne stockt -
O stopf mit Erde Schlund,
Gedärm und Glaube.
Ein jeder nagelt sich ans eigne Kreuz -
Er schleppt es selbst bis an die Schädelstätte.
Granate Geier lauert, wen sie fresse.
Der Schädel birst, und ein Gestirn zerplatzt.
Ein Haus zu Hause.
Eine schlanke Magd.
(Verheißung unterm Mieder: schwach gewölbt.)
Ein mütterlicher Abend.
Lampenluft.
Zehn Taler Löhnung.
Tanz im Grunewald.
Ein Mädchenlager unter Weiden.
Trunkener Teich.
Und Sonne, Wald und Wein und Freundlichkeit.
Ein Glockenruf, ein blauer Blumenhut
Und einst in weißer Wiege:
Jesuskind -
Dahin ... Dahin ...
Auf ewig dies: dahin ...
Klabund
. 1890 - 1928
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