Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Das Leben lebt
162 Bücher



Gustav Falke
Das Leben lebt . 1. Auflage 1916



Ein Sonntagmorgenabenteuer

Als ich gestern über die Hecke guckte,
Sonntag war es, ein Stündchen noch vor der Predigt,
ei, was sah ich im Grase, ligusterbeschattet
und umspielt von wundersamem Getöne?
Ähnlich klingt das Geräusch der klappernden Nadeln,
wenn auf der Ofenbank abends im Winter
Schwiegermama mir die wollenen Socken anstrickt.
Ähnlich, sag ich, aber bei weitem so schön nicht.

Ganz behutsam längte den Hals ich hinüber
und eräugte mit angehaltenem Atem
lieblich ein Bild, so recht für den Sonntag geschaffen.
Farbig war es: Rot und Grün und ein glänzend
Weiß bewegten sich mir vor den Augen
biegsam hin und her wie geschaukelte Blumen,
die der Wind ein wenig wiegt, oder wie sich
Falterflügel auf und nieder bewegen.
Keins doch war es von beiden, für beides zu groß auch,
und das holde Getön den beiden nicht eigen!

Alle Vögel vermein' ich zu kennen, die sommers
hier in der Gegend nisten und brüten, Raupen,
Käfer und anderes Geziefer geschäftig vertilgend.
Dieser doch war mir ein Fremdling. Und ob er ein Vogel?
länger macht ich den Hals, und es knackte ein Zweiglein,
und ich fürchtete schon, ich hätte das Wunder-
Wesen verscheucht jetzt, als es entsetzt in die Höh sprang,
aber am Platze verblieb und mir keck ins Gesicht sah.

Freilich, ein Vogel war es nun nicht, der wär' auch entflogen,
doch geflügelt war es. Zwei niedliche Schwingen
sperrten sich eine Sekunde flugbereit, doch
senkten gelassen sich wieder in schönem Vertrauen.
Und nun sah ich: ein Knäbchen war es, ein holdes!
Rosig blühten die allergeschmeidigsten Glieder,
rosig das ganze Geschöpf. Auf verwegenem Blondkopf
saß ihm ein Hütchen, wie es die Schützen tragen,
grün mit bräunlicher Feder; etwas zur Seite
saß es, über dem rechten Ohr; das gab ihm ein Ansehn.
Leise summte ein Liedchen er sich. Es klang wie
Bienengeläut, wie ein Schwirren von Käfern.
Und nun bückte er sich nach dem Schießzeug im Grase,
dabei wär' ihm das Hütchen vom Kopf fast gefallen,
aber er griff's noch. "Elf, zwölf, dreizehn." Er zählte
seine Geschosse. Doch eben begannen die Glocken
feldherüber zu läuten vom Kirchlein in Niendorf,
und in den schwingenden Lauten erstarb sein Stimmchen.
Doch es war ein gehörig Bündel von Pfeilen,
das er geschäftig im Köcher barg. Ich sah ihm
lächelnd zu, als mir plötzlich ein Mückchen ins Auge
flog, daß es tränte. So war ich ein Weilchen geblendet.
Als ich nun wieder, geröteten Lids, konnte blinzeln -,
sirrrr, grad flog er auf, eine rundliche Hornis,
glänzte im Licht der goldenen Morgensonne
und entschwand meinem Blick hinter Birkenwipfeln.


  Gustav Falke . 1853 - 1916






Gedicht: Ein Sonntagmorgenabenteuer

Expressionisten
Dichter abc


Falke
Mynheer der Tod
Mit dem Leben
Hohe Sommertage
Frohe Fracht
Das Leben lebt

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Ein Sonntagmorgenabenteuer, Gustav Falke