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Gustav Falke
Frohe
Fracht . 1. Auflage 1907
Das Frühlingsfest
Der Frühling hat zu seinem Fest
Frau Sonne herbefohlen,
Jetzt schickt er Boten aus und läßt
Die lieben Gäste holen,
Nicht lange, und aus Tür und Tor
Tritt ein geputzter Mensch hervor.
Trägt jeder einen Maienstrauß
Und seine neusten Kleider,
Frau Sekretär sieht reizend aus,
Und alles lobt den Schneider.
Ein rosa Band schmückt Männchens Hut,
Der Berta steht ein blaues gut.
Die Musikanten treten an,
Es ordnet sich die Menge.
Ei, wies die stumme Fiedel kann!
Das sind ja Jubelklänge!
Selbst das Fagott, das sonst so träg,
Bringt einen Triller heut zuweg.
Festgeber Frühling aber thront
Auf schwankendem Altane,
Er ist des Umzugs schon gewohnt
Und kennt die Freudenfahne.
Rittlings auf einem Blütenast
Grüßt er von oben jeden Gast.
Am liebsten sieht er Arm in Arm
Die kleinen Mädchen schreiten,
Mit roten Wangen, weich und warm,
Den Blick in alle Weiten,
Als würden dort, im Fernen, Blaun,
Sie erst das wahre Wunder schaun.
Die Buben auch, die frisch und frei,
Die Mützen aus den Stirnen,
Daherspazieren mit groß Geschrei,
Der Schrecken scheuer Dirnen,
Sie sind ihm nicht zuwider, nein,
Am liebsten möcht er auch mit schrein.
Indessen hat ein grüner Platz
Die Gäste aufgenommen,
Ein blanker Bursch mit schmuckem Schatz
Wär fast zu spät gekommen.
Zur Seite unterm Lindenzelt
Hat die Musik sich aufgestellt.
Nun geht ein Drehn und Schleifen an,
Ein Wiegen und ein Schmiegen,
Sogar der steife Lehrer kann
Sich vor der Bäuerin biegen.
Der dicke Bäck, die Postmamsell,
Ein jedes kommt heut von der Stell.
Der Bürgermeister, rund und schier,
Wie nur ein Bürgermeister,
Entsagt allein und trinkt sein Bier,
Das macht ihn zwar noch feister,
Doch läßt sichs prächtig dabei ruhn,
Und etwas soll er auch doch tun.
So sieht er denn von seiner Bank
Vergnügt aufs bunte Treiben.
Aufs neu gewählt, das Herz voll Dank,
Darf er am Ruder bleiben,
Und fühlt so recht bei seinem Bier
Als Vater seines Volks sich hier.
Als sich nun alles müd gedreht,
Will auch Frau Sonne schlafen,
Ein schönster Tag zu Ende geht,
Lustschifflein schwimmt zu Hafen,
Trägt alt und jung und groß und klein
Nach Hause und ins Bett hinein.
Der Frühling aber lauscht noch lang
Den wachen Nachtigallen,
Gar lieblich will ihm ihr Gesang
Nach all dem Lärm gefallen;
Ein Elfchen sitzt ihm auf dem Schoß
Und staunt, wie doch der Mond so groß.
Gustav
Falke . 1853 - 1916
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