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Gedichte, Lyrik, Poesie

Frohe Fracht
162 Bücher



Gustav Falke
Frohe Fracht . 1. Auflage 1907



Der schönste Kranz

Es war ein Trauertag. Der Himmel selbst
Hatt schwarze Fahnen ausgesteckt. Wir trugen
Den Freund zu Grabe, den aus reichem Glück
Der Tod mit einem raschen Griff sich holte.

Ich schritt als Nächster mit dem Töchterchen,
Dem einzigen Kind des Toten, hinterm Sarg,
Der unter einer üppigen Rosenpracht
Und weißen Atlasschleifen fast verschwand.
Ich hielt das kleine, blasse, schmächtige Wesen,
Acht Jahre oder neun wars eben alt,
An seinen kalten Händchen. Fröstelnd gings,
Vom kühlen Hauch des feuchten Tags durchweht.

Vor der Kapelle setzten ganz behutsam
Die Träger ihre schwere Last zu Boden,
Daß nicht ein Blättchen einem Kranz entfiel.
Wir mußten warten, denn da drinnen sprach
Man einer Leiche grad den letzten Segen.
Wir hörten es durch die verschlossene Pforte,
Eintönige Worte tropften kalt herunter
Und einmal quoll ein heißes Weinen auf.

Wie wir so standen und auf Einlaß harrten,
Bracht einen dritten Schläfer man herbei.
Ganz schlicht und schmucklos war sein dürftig Bett,
Und keine Freundschaft gab ihm das Geleit.
Vier Träger trugen ihn. Man sah, es war
Ihr Amt, ihr Brot, Geschäft. Hart setzten sie
Die Bahre nieder.

                            Ganz erschrocken ließ
Das Kind mich los und sah sich nach dem Sarg,
Der nackt und schwarz im nassen Kies stand, um,
Und wie entsetzt rief es: "Nicht einen Kranz!"
Und nochmal leise wie in tiefstem Mitleid:
"Nicht einen Kranz." - Die dunklen Augen fliegen
Von Sarg zu Sarg. "So viele hat Papa."
Und ohne Fragen, nur ein kurzer Blick:
"Darf ich?" nimmt es den ersten, besten Kranz,
Der schönste war es, schwere Marschall Niel,
Und legt ihn leise auf die leere Truhe.

Die Träger stehn verblüfft, die Onkeln, Tanten
Beschämt, gerührt. Und ein paar Frauen schluchzen.
Und nicht gewahrend, daß der Pförtner schon,
Die Störung nicht begreifend, ärgerlich
Am offnen Tore der Kapelle mahnte,
Umringten sie das Kind und küßten es.
Der kleine Engel des Erbarmens stand
Ganz steif, ganz ratlos da und wußte nicht
Wie ihm geschah. Was wollten denn die Leute?


  Gustav Falke . 1853 - 1916






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