Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Hohe Sommertage
162 Bücher



Gustav Falke
Hohe Sommertage . 1. Auflage 1902



Die Räuber

Ich war, ein Knabe, in den Wald gegangen
Mit meinen Brüdern. Wie die wilden Rangen
Den Ferienmorgen durch die Büsche trieben,
Dass er entfloh, als hätt er Hasenläufe.
Und selber jagten sie sich umeinander,
Hierhin, dorthin, wie steuerlose Brander.
Und wirklich wär bald nichts vom Wald geblieben,
Als funkenüberstreute Aschenhäufe.

Ein rechter Räuber, seines Werts durchdrungen,
Und sei er auch der Schule just entsprungen,
Kann nicht der Bürger glatte Wege wandeln,
Wo Förster und Magister ihm begegnen.
Er braucht das Dickicht, wo kein Hund ihn wittert,
Braucht finstre Höhlen, buschwerkübergittert,
Wo kein Gesetz ihm lähmt das kühne Handeln
Und keine Prügel in sein Handwerk regnen.

O Freiheit, deine roten Flammen schlugen
So stürmisch nie, und keine Hände trugen
So hochgemut die lodernden Fanale,
Wir waren Räuber und dazu Indianer,
Zum "Großen Adler" wurde Hänschen Meier,
Und Müllers Fritzchen zum "Gefleckten Geier",
Die Friedenspfeife ging zum dritten Male
Von Hand zu Hand, und blass saß der Quartaner.

Und schweigend qualmten um die dürren Reiser
Die tapfern Krieger, jeder Held ein Weiser
Im großen Rat: Und durch die Buchenrunde
Zog sacht der Rauch des Feuers und der Pfeifen.
Dann ging die Flasche mit dem Himbeersafte,
Die der verwegene Häuptling sich verschaffte,
"Der große Büffel", still von Mund zu Munde.
Ein Pfiff! Und nach dem Kriegsbeil galt's zu greifen.

Ihr Knabenspiele unter Sommerbuchen,
Wo soll ich köstlichere Freuden suchen,
Als die aus eurem tollen Treiben sprossen,
Wie helle Rosen aus den wilden Ranken.
Doch Dornen hatten, weh! auch diese Rosen,
Und sie zerrissen nicht allein die Hosen,
Auch rotes Blut ist jämmerlich geflossen,
Und dann, zu Haus, der Räubermutter Zanken.

Und einmal mussten wir die Häuptlingsrücken,
O Schmach für Helden, untern Stecken bücken.
Den großen Büffel nahm man fest beim Horne,
Der große Adler musste Federn lassen,
Denn aus der Asche unsrer Höhlenscheite
Erstand ein Kläger, der in alle Weite
Die Klage rief. Die ward zum Todesdorne
Für unsern Mut und ließ uns feig erblassen.

Der Wald in Flammen! Weh, die Schreckenskunde!
Wir zitterten. Nun ist die letzte Stunde
Für euch gekommen, und die Messer blitzen,
Kreisrund den Skalp von eurem Haupt zu trennen.
Der Wald in Flammen! Förster, Polizisten,
Kerker, Schafott, ringsum die Stadtgardisten -
Doch nein, man wird euch schon die Haut nicht ritzen.
Mut, großer Büffel! Nur die Weiber flennen.

Die Zähne fest! Und Hiebe gab es, Hiebe!
Und ist die Züchtigung ein Werk der Liebe,
Kein Vater liebte heißer seine Knaben
Und mehr als sie verdienten, wie ich meine:
Zwei junge Buchen waren drauf gegangen,
Und unsres Wigwams rauchgeschwärzte Stangen
Schrien unsre Schandtat in das Ohr des Raben,
Der Krumen las an unserm Opfersteine.


  Gustav Falke . 1853 - 1916






Gedicht: Die Räuber

Expressionisten
Dichter abc


Falke
Mynheer der Tod
Mit dem Leben
Hohe Sommertage
Frohe Fracht
Das Leben lebt

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Die Räuber, Gustav Falke