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Gustav Falke
Mynheer
der Tod . 1. Auflage 1892
Ein Gang durchs Fischerdörfchen
Wenige Hütten, gedeckt
Mit überragenden Schindeln.
Manche versteckt,
Wie's Kind in den Windeln,
Hinter Apfelbaumgezweig
Und gegen den Steig
Von hohen Dornen eingeheckt.
Vorm Haus,
Kraus
Zwischen Kraut und Nesseln,
Nelken und Georginen;
Hinter den Fenstern und Gardinen
Geranien, Goldlack und wieder Nelken,
In Scherbenfesseln
Bestimmt zu welken.
Fischergerät, Netze und Schnüre
Vor jeder Thüre;
Hin und wieder ein frommer Spruch,
Und überall Fischgeruch.
Im Sonnenbrande
Spielende Kinder im Sande,
Schmutzig und putzig,
Halb scheu und stutzig,
Halb dreist,
Und barfuß zumeist.
Auf niederm Sitz
Der Schwelle hingeduckt
Ein altes Mütterchen hockt.
Kartoffel schälend guckt
Sie her und lockt
Mit zitterndem Stimmchen aus zahnlosem Mund
Den klaffenden Hund:
Komm Spitz!
Eine Gänseherde schnattert vorbei.
Ein Mädchen vollbusig und drall,
Bringt eine Ziege zu Stall,
Oder auf die Wiese.
"Was macht der Schatz, Liese?"
Wie verschämt sie thut. Ei,
Und sich umsieht und lacht.
Nimm dich in acht!
Vorm Wirtshaus Entengeschwatz
Auf dem grasbewachsenen Platz
Und daneben
Auf dem übelriechenden Teich,
Soeben
Krähen zwei Hähne zugleich
Und die Störchin vom Scheundach herab
Klappert: klappklappklapp!
- Klapp!
Schwalben schießen wie Pfeile
Kreuz und quer über den Weg,
Haben immer Eile,
Sind immer reg,
Zierlich und schlank,
Blitz und blank.
Aus dem Schulhaus,
Neu aus roten Ziegeln erbaut,
Schallt's hell heraus:
"Weißt du, wie viel Sternlein stehn -"
Der alte Lehrer singt für zehn
Und fiedelt dazu.
Hartnäckig dazwischen brüllt eine Kuh
Von naher Wiese, immer gleich kläglich.
Es ist unerträglich.
Weiter, beim Kirchhof zum Dorf hinaus,
Das letzte Haus sieht wie das erste aus:
Klein, dürftig und schmutzig.
Auf niedrigem Kirchdach kauert,
Wie versauert,
Als ob er die Lust an der Welt verlor,
Der Turm, gar putzig,
Mit runder Haube,
Und lugt aus dem Laube
Breitästiger Linden grämlich hervor.
Über die Friedhofsmauer hängt,
Die Wurzel zwischen die Ouader gezwängt,
Schwarzgrüner Epheu und höher, im Hauch
Des Windes, wiegt sich am Strauch
Ganz leise, leise
Eine dunkelrote Rose.
Gustav
Falke . 1853 - 1916
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