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Das neue Reich
162 Bücher



Stefan George
Das neue Reich . 1. Auflage 1928



Der Dichter in Zeiten der Wirren

DEM ANDENKEN DES
GRAFEN BERNHARD UXKULL


Der Dichter heisst im stillern gang der zeit
Beflügelt kind das holde träume tönt
Und schönheit bringt ins tätige getrieb.
Doch wenn aus übeln sich das wetter braut
Das schicksal pocht mit lauten hammerschlägen
Klingt er wie rauh metall und wird verhört..
Wenn alle blindheit schlug · er einzig seher
Enthüllt umsonst die nahe not.. dann mag
Kassandra-warnen heulen durch das haus
Die tollgewordne menge sieht nur eins:
Das pferd · das pferd! und rast in ihren tod.
Dann mag profeten-ruf des stammgotts groll
Vermelden und den trab von Assurs horden
Die das erwählte volk in knechtschaft schleppen:
Der weise Rat hat sichreren bericht
Verlacht den mahner · sperrt ihn ins verlies.
Wenn rings die Heilige Stadt umzingelt ist

Bürger und krieger durcheinander rennen
Fürsten und priester drin sich blutig raufen
Um einen besenstiel indes schon draussen
Das stärkste bollwerk fällt: er seufzt und schweigt.
Wenn der erobrer dann mit raub und brand
Hereinstürmt und ins joch zwingt mann und weib
Ein teil wutschäumend seine eigne schuld
Abwälzend auf den andren lädt · ein teil
Entbehrungsmüd sich um die brocken balgt
Die ihm der freche sieger vorwirft · johlend
Und tanzend sich betäubt · am riste leckt
Der tritt und schlägt: Er fernab fühlt allein
Das ganze elend und die ganze schmach.

Geh noch einmal zum berg zu deinen geistern
Und bring uns tröstlicheren spruch der löse
Aus dieser trübsal!.. also spricht ein greis...
Was soll hier himmels stimme wo kein ohr ist
Für die des plansten witzes? was soll rede
Vom geiste wo kein allgemeiner trieb ist
Als der des trogs? wo jede zunft die andre
Beschimpfend stets ihr leckes boot empfiehlt
Das kläglich scheiterte · heil sucht in mehrung
Ihr lieben tandes? wo die klügsten fabeln
Vom frischen aufbau mit den alten sünden
Und raten: macht euch klein wie würmer dass euch
Der donner schont der blitz euch nicht gewahrt...
Der ganze stamm der lebenden der hinfuhr
Durch lange irrsal wird vor seinen götzen
Die ihn in staub und niedrigkeit geworfen
So oft sie lügen immer weiter räuchern
Hat seines daseins oberstes gesetz
Hat was ihm den bestand verbürgt vergessen
Glaubt an den Lenker nicht · braucht nicht den Sühner
Will sich mit list aus dem verhängnis ziehn.
Noch härtre pflugschar muss die scholle furchen
Noch dickrer nebel muss die luft bedräun..
Der blassest blaue schein aus wolkenfinster
Bricht auf die Heutigen erst herein wenn alles
Was eine sprache spricht die hand sich reicht
Um sich zu wappnen wider den verderb -
Gleichviel ob rot ob blau ob schwarz die fahlen
Verschlissnen fahnenfetzen von sich schüttelt
Und tag und nacht nur an die Vesper denkt.

Der Sänger aber sorgt in trauer-läuften
Dass nicht das mark verfault · der keim erstickt.
Er schürt die heilige glut die über-springt
Und sich die leiber formt · er holt aus büchern
Der ahnen die verheissung die nicht trügt
Dass die erkoren sind zum höchsten ziel
Zuerst durch tiefste öden ziehn dass einst
Des erdteils herz die welt erretten soll..
Und wenn im schlimmsten jammer lezte hoffnung
Zu löschen droht: so sichtet schon sein aug
Die lichtere zukunft. Ihm wuchs schon heran
Unangetastet von dem geilen markt
Von dünnem hirngeweb und giftigem flitter
Gestählt im banne der verruchten jahre
Ein jung geschlecht das wieder mensch und ding
Mit echten maassen mißt · das schön und ernst
Froh seiner einzigkeit, vor Fremdem stolz ·
Sich gleich entfernt von klippen dreisten dünkels
Wie seichtem sumpf erlogner brüderei
Das von sich spie was mürb und feig und lau
Das aus geweihtem träumen tun und dulden
Den einzigen der hilft den Mann gebiert..
Der sprengt die ketten fegt auf trümmerstätten
Die ordnung · geisselt die verlaufnen heim
Ins ewige recht wo grosses wiederum gross ist
Herr wiederum herr · zucht wiederum zucht · er heftet
Das wahre sinnbild auf das völkische banner
Er führt durch sturm und grausige signale
Des frührots seiner treuen schar zum werk
Des wachen tags und pflanzt das Neue Reich.


  Stefan George . 1868 - 1933






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