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Gedichte, Lyrik, Poesie

Das neue Reich
162 Bücher



Stefan George
Das neue Reich . 1. Auflage 1928



Sprüche an die Toten

Wenn einst dies geschlecht sich gereinigt von schande
Vom nacken geschleudert die fessel des fröners
Nur spürt im geweide den hunger nach ehre:
Dann wird auf der walstatt voll endloser gräber
Aufzucken der blutschein.. dann jagen auf wolken
Lautdröhnende heere dann braust durchs gefilde
Der schrecklichste schrecken der dritte der stürme:
            Der toten zurückkunft!

Wenn je dieses volk sich aus feigem erschlaffen
Sein selber erinnert der kür und der sende:
Wird sich ihm eröffnen die göttliche deutung
Unsagbaren grauens.. dann heben sich hände
Und münder ertönen zum preise der würde
Dann flattert im frühwind mit wahrhaftem zeichen
Die königsstandarte und grüsst sich verneigend
            Die Hehren · die Helden!




Heinrich F.

Dein kühner geist · sein eigener befeurer ·
Hiess nächst und fernste zirkel sein gebiet..
So sezt den fuss aufs land der abenteurer
Der es entdeckt und ganz als eignes sieht.
Leicht wie ein kind ein vogel, froh im wahne
Im aug schon die bestimmung gingst du fort..
Du ein entrückter schon beim abschiedswort..
Als ersten deckt dich · freund · die schöne fahne.




Walter W.

Schwermütiger tanz der täuschend leicht-gesinnten
In zarter zier mit rosen-bausch und -falte
Da leben leztesmal sich band und ballte:
Dort war mein reich.. doch war es - liegt weit hinten.

Wo ist ein halt noch heut wo eine stütze?
Die pfosten faulen alle angeln rasseln
Bald wird im morschen bau die flamme prasseln.
Was ist zu tun für uns? was not was nütze?

Ich ahnte licht sah die ersehnte schwelle
Ich rief ich pochte.. hilft nicht wort und wissen?
Den hort zu kennen und für immer missen
Ertrag ich nicht - so sink ich in der welle.




Wolfgang

Eh du das rätsel deines jahres löstest
Sprangst du ins nächste mit gewandtem satz.
Dort blüht viel glück dir womit du dich tröstest
Doch du zu klug weisst vom entgangnen schatz.

Was soll ich deinem stummen blick erwidern?
Ich gäbe gern dir mehr zum abschied mit..
Scheuch diese trauer unter deinen lidern
Sonst · reiter · ziehst du aus zum lezten ritt.




Norbert

Du eher mönch geneigt auf seinem buche
Empfandest abscheu vor dem kriegsgerät..
Doch einmal eingeschnürt im rauhen tuche
Hast angebotne schonung stolz verschmäht.

Du spätling schienst zu müd zum wilden tanze
Doch da dich hauch durchfuhr geheimer welt
Tratst du wie jeder stärkste vor die schanze
Und fielst in feuer erd und luft zerspellt.




Balduin

Mit welcher haltung ihr den markt durchrittet
Wie euer auge glänzte dieser tage
Und wie ihr standet, auf den strassen schrittet:
Ist fernes bild - gehört schon heut zur sage.




Balduin

Dafür legten wir den holden mantel nieder
Unsres leibes süsse bürde in die blumen
Dass ihr unsrer häuser stolze säulen stürztet
Auf der tempel trümmer eure götzen pflanztet?
            Oh · ich
Weiss wie unsre toten nach dem Lethe dürsten
Wie sie lechzen nach dem tranke des vergessens.

Dafür losch uns alles licht der demantkrone
Sank die nacht in unsre schimmernden gefässe
Dass ihr · meutrer · am lebendigen blute frevelt
Bettler schon · dem feinde leib und brut verschachert?
            Sieh! Mit
Welcher gierde sie zum flachen ufer flüchten
Trockne lippen auf die dunklen fluten stürzen!

Ehrt uns nicht mit kränzen · kränkt uns nicht mit mälern
Holt die asche nicht zum boden den ihr schändet·
Unser vaterland: der plan auf dem wir fielen
Unsre mutter: heilige erde die uns bettet -
            Oh · nach
Tiefem schlürfen bleibt die qual in toten augen
Bleibt die klage furchtbar auf den stirnen stehen.




Victor * Adalbert

V: Was über unsrer sonnenseligkeit
Im schönen bergland als ein schatten lag
Den froh wir scheuchten - sag nun deine trauer!
A: Da alles volk noch eitle hoffnung nährt
Seh ich in solches wirrsal solches graun
Schon drohend nah - dass ichs nicht teilen mag.
V: Nur mehr gefahr soll uns nur mehr erweisen.
A: Gefahren hab ich lang genug getrozt
Genug im mord gestampft - seit ich genas
Und zur besinnung kam bin ich gewiss
Dass dies ein wahnwitz der mit wahnwitz schliesst
Und dass ich bei dem nächsten eisenhagel
Als erster sinke - lieber scheid ich frei.
V: Doch das ist flucht und flucht ist feig.
A: Für den
Der mit dem leben geizt · das tu ich nicht..
V: Du greifst den Göttern vor - sprichst nicht mehr fromm.
A: Sie selber gaben mir das andre auge.
V: Gemahnt ich dich wen all du weinend lässest
Und triffst - wie tief - durch ein unfassbar tun:
So schweigte mich dein wuchtigeres wort.
Doch woher nimmst du · träger du der weihe
Dies recht des raubs?
A: Weil ich die weihe trage
Grad darum will ich mein gesetz erfüllen
Darf ich nichts tun was mich zum mindren macht ·
Mir ziemt ein sturz nicht mehr durch blinden zustoss
Sowenig wie ein dasein langsam welkend
Im kommenden unsäglichen zerfall.
Wenn wir noch bleiben werden wir verwesen..
Wenn jezt wir frank und stolz die erde lassen
Wird uns der lichte wandel nicht benommen
Werden wir blühen wie die ewigen sterne..
V: Teurer, begreifst du mich jezt ein? So hör:
Wie sehr dein stärkrer odem mich durchregt
Ich kann mit deinem blick nicht sehn.. dein zwang
Ist nicht mein zwang · an deiner seite wacht ich
Und schlief den schönsten frühling ohne sorge.
Nur manchmal schien seit unsrer lezten einung
Dass etwas dünnres uns umweht als luft
Dass etwas leichtres in uns pulst als blut.
A: Ich will nicht bitten und ich darf nicht binden
Folgst du nicht meinem - nein - dem andren ruf
So weiss ich sicher deine lippen blassen
Eh noch die gräser gilben. Sieh ich zittre!
In wirklichkeit vermag ichs nicht zu schaun..
V: So bangt dir nach den wunderbaren stunden
Voll reichtum und voll glanz.
A: Nun ist die wende!
V: Dort liegt der Hexenberg in falbem schein
's ist zeit der grausen tänze.. Eh du · Wilder ·
Nochmals so redest warte bis zum neumond!
A: Du kind machst scherz am grab · der dunkelgeist
Der in mir waltet kennt nicht solchen spuk.
Was unersättigt in mir tobt - du rätst es..
V: Wirst du auch gehen ohne mich?
A: Ich muss.
V: Ob die gemeinsam langen strahlen-morgen
Ob diese heissen abende im tal
Die heitre ruhe während welten bersten
Zuviel an glück nicht war für erdensöhne
Ob dies nicht sühne heischt - ich weiss es nicht..
Ob eine andre not als die wir kennen
Die düstre tat befiehlt - ich weiss es nicht.
Ich spüre keinen götterwink für mich.
Doch glaub ich alles dir was für Dich gilt..
Und bleibe treu dem schwur der uns verbunden
Im jünglingsjahr den immer wir besiegelt..
Ich bin untrennbar mit dir · seis auch schuld ·
Und wenn nach deinem schicksal du beschlossen
Durchs dunkle tor zu gehn: so nimm mich mit!


  Stefan George . 1868 - 1933






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