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Gedichte, Lyrik, Poesie

Das neue Reich
162 Bücher



Stefan George
Das neue Reich . 1. Auflage 1928



Wenn es dein geist von selbst nicht finde
So wird es dir am tage licht
Wo einen ich des eids entbinde
Der vom befreiungstag dir spricht.

Bleibt mein zweifel ein erkühnen:
Kurze frist - bis er sich kläre ..
Viel besitz ich ihn zu sühnen
Nichts ist mein was dein nicht wäre.




Rätsel flimmern alt und neu
Heut von dir noch nicht gewusst
Doch die bald du wissen musst.
Neige dich davor in scheu!

Sieh drohend sieh flehend die hand!
Du warst wie ich heute dich wollte ..
Bist morgen du noch der gesollte
Geliebter - welch fest und welch land




A:I

Dess wort wol - doch dess seele nie mir klang:
Ein jahrlang muss der sturmlauf uns umwittern
Muss ganz ein herz im andren herzen zittern ...
Du weisst es jezt - und wagst du noch den gang?


A:II

Du schaltest kühn und schön in deinem ringe
Und staunst nicht weiter: ist er je gesprengt ...
Ich bin nur frei weil ein gesetz mich engt
Ich weiss erst wie ich liebe wenn ich klinge.
Im menschenweg erfüllst du jedes ding
Doch fehlt dir noch: vorm schicksal ganz zu schauern ..
So musst ich DEN advent mit leisem trauern
Ein glück dir opfern das mich schon umfing.


A:III

Du hast des lebens götterteil genossen
Von glück und rausch und schwärmen wunderbar ..
Du darfst nicht murren, ward dir nun beschlossen
Des wahren lebens ander teil: gefahr.




B:I

Nächtlich am tor gehn wir im gleichen tritte
Den einlass bringt nicht sehnsucht noch gewalt ..
Für dich Geliebter hab ich nur die bitte:
Bleib mit mir wach bis drin der ruf erschallt.


B:II

Du kennst die traumeswelt: du wirst verstehen,
Mit tages tat werd ich dich nie bezwingen
Mit tages rat wirst du mich nie erringen
Der dichte wind der träume muss erst wehen
Sie wandeln · färben jedes ding im rund
Dass wir es in der echten form erkennen
Dass wir es mit dem wahren namen nennen,
Doch was ertönen macht das ist dein mund.


B:III

Gewissheit nimm vom ablauf dieser stunde:
Erregende gedanken bot sie kaum
Und nur ein lispeln kam aus unsrem munde
Doch voll bewegung war der innre raum
Da schlug ein herz und gab dir reiche kunde.




W:I

Konntest du · durftest du nicht
Durch des vertrauens arm
Dankbar dich tragen lassen
Über die einzige schwelle
Gottloses kind du der zeit?
Unwissend kind du der zeit
Wer gibt einst dir die kraft
Dass du die türe zerbrichst
Unter vereitelten mühn
Mit deinen blutenden händen?


W:II

Du hast gewählt und meinst du hast noch wahl
Der leichte weg steht frei ein einzig mal
Dass du den schweren gehst ist kaum zu hoffen
Du spinnst dir tröste und was kommt ist qual.


W:III

Wir stehn am schicksalsrand mit gleichem bangen:
>Nach vielem glück - ist dies noch zu erlangen?<
Die hoffen · höchstes mühlos zu erwerben
Wenn du DIE meinst so gibt es keine erben.




P:

Du willst hinaus in land und meer manch jahr
Die welt erkennen unter kampf und fahr,
Ein ungeweihter suchest du das leben
Drum schickt es dich zurück und wird nichts geben.

Das höchste was von gott dem menschen eignet
Kam vor dein haus, hat sich für dich ereignet.
Du sahest nicht: du bleibst dein leben blind
Du merktest nicht: du bleibst dein leben kind.




G.R.H:

In alter scholle wurzelt noch dein fuss
Aus neuer nahmst du haltung und gebärde ..
Dein arm, weit vor, winkt in die morgenerde
Reicht bis zu mir herüber mit dem gruss.




H.M:

Ein Weiser ist wer beim getöse Vieler
Im stillen farb und tongestäb kann führen ..
Doch weiser noch wem - auch als bestem spieler -
Manchmal es frevel deucht: an harfen rühren.




L:I

Wol ziemt zu schweigen über gross beginnen
Doch jeder starke drang will kunde geben ..
Taglang ist es mein einziges bestreben
Aufs wort für unsern neuen weg zu sinnen.


L:II

Immer-harren macht zum spott
Sich vertrösten ist das leerste ..
Dies geheimnis ist das schwerste:
Augenblick als höchster Gott.




F.W:

Lass völker brechen unterm schicksalsdrucke
Gefeite beben nicht beim jähsten rucke ..
Vorm Herrn gilt gleich der in- und aussen-krieg
Wo solche sind wie du - da ist der sieg.




J:

Du unversehrten leibs trankst bei mir mut
Dass nicht der geist zerbräch in dunst und flut ..
Nun halt ich dich geläutert und gesund
Und nehme kraft mir auf aus deinem grund.




E:

Ich traf dich edlen spross in deinem lenze
Vereintes leben rann in freudigem lauf ..
Vielleicht blühst du nochmals als andrer auf
Reisst dich der föhnwind über deine grenze.




R ...

Den ersten rang hat wem der Gott hienieden
Erlaubt dass er die schwelle überspringt ..
Viel mindren nicht wer dess bewusst zufrieden
Am platze dient den das gesetz beschieden.




S ...

>Gibt es nichts weiseres sommerlang<
                hast du gemurrt -
Als unerkannt ich mit den kecken schwimmern
                reden spann ...
So hoff ich trifft mich nie das loos des
                sehers an der furt
Der an der knaben rätsel sich zu tode sann.




A. VERWEY

Der dichter · will er tag für tag sich sagen
Wo wahr und falsch von rechts nach links sich jagen
Muss dafür jahrlang schweigend busse tragen.

Die besten genossen -
Ihr spracht unumwunden:
Ich hab sie gefunden ...
Die jahre verflossen,
Nun nüzt ihr die stunden
Mit vielen papieren
Sie euch zu verlieren.

>Hier ist der schnitt - hier kann Ich nicht mehr glauben<
Was? Was ihr berget? was ihr offen sagt?
Dass nochmals wachstum bricht aus toten-welten ..
Das andre - Dichter! sei dem dichter leicht.

Du allein VAN BUITEN
Musstest richtig deuten
Wie der Ewigen Reiche
Bild nur hier nicht bleiche.
Forsche weit und breit:
Lauschen andre ringe
Deiner hohen dinge?
Drum wird auch dein hassen
Fliehen und verpassen
Kurz sein wie bruderstreit.

Ihr habt vergessen dass ihr einst vor jahren
Gelassen zu mir spracht: ich bin am end ..
Bis frischer blutstrom kam der frisch euch schwellte:
Der geister einbruch in ein enges heim -
Sie wol im wesen fremd euch - all die schar.
Ihr bliebt ihr selbst und wurdet durch sie neu
Nun hehlet ihr mit reichem prunk von rede
Das eine das euch weh tut dass wir nicht
Bekennen dürfen so wie ihr: ich bin
Allein - ich bin der lezte meines volkes ..




M:

Wie ward im dunst der morgendlichen frühe
Dein garten wach vom jubelnden gegirre
Vielfacher vögel - wo dich einst die wirre
Des dickichts freute und die üppige blühe.

Glutrote mauern jäh wie felsenschroffen
Umgaben dich mit eines zaubers schwüle
Bis sich dein auge fragend und weit-offen
Langsam gewöhnte an die freie kühle.

Versunkner träumer ward nun ein begleiter
Der aus dem zwielicht strebt zum vollen licht ·
Er schreitet neben mir gelöst und heiter
Und nezt mit tau das kindliche gesicht.




Der Tänzer

Im garten wiegt der kinder ringelreihn
In weiche luft des abends dringt ihr sang
Sie ziehn in paaren schwingen sich im kreise
Und hüpfen nach des gleichen liedes weise
Wie sie sich froh die kleinen hände leihn!
Doch Einer gibt den takt an und den gang.

Wie leicht sein fuss sich dreht und schnellt und säumt
Wie beugt die hüfte sich gewandt und sacht!
Im dunkel zittert seines haares schimmer
Er ist der leuchtstern mitten im geflimmer
Er ist die ganze jugend wie sie träumt
Er ist die ganze jugend wie sie lacht.




B.v. ST.

I

Im sommerlichen glanz der götterstadt
Sannen wir trauernd oft den spuren nach
Des toten königskindes.

Was dient uns schlachtenvorteil scharfsinn kraft!
Im blutgedüngten marschland mutige wehr!
Wenn uns die hoheit stirbt.

Dem frisch-bereicherten bleibt hohl sein saal
Sein garten birgt nie mehr wenn je gefällt
Uralten baumes weihe.

Was dient sei sie auch mehr als frommer wahn
Gleichheit von allen und ihr breitstes glück!
Wenn uns die anmut stirbt.


II

Im unverwüstbar schönen auf-und-ab
Der schicksal-strassen gingst du zwischen uns
In deiner vollen blühe..

Wo du dein herrenrecht an uns geübt
Wir dich bestaunt und gar das volk dich nahm
Für den erstandnen prinzen.




Der Himmel

Komm mit zu jenem Mysten der so schön uns überzeugt
Vom wahren Jenseits und vom falschen irdischen schein.
>Ich war bei ihm, er hatte noch den mund nicht aufgetan
Da wusst ich schon: sein himmel ist nur schlimmer scherz.<




Der Schlüssel

Ich hab dich angehört · kein andrer führer zeigt mir
Die dinge so. Ich will sie selber sehn und prüfen...
>Des Wissens anfang ist der schlüssel, hast du den:
Tritt auf die dinge zu! - Dein weg führt irr
Nimm sieben jahr · lies · hör in allen schulen
Unklüger kehrst du heim als heut du gehst.<




Leib und Seele

Sprach nicht der Weise: Such der seele schönheit
Vor der des leibs?.. >Leib · seele sind nur worte
Wechselnder wirklichkeit. Der staat ward faul
Und flach und dreist der bürger. Da erfand
Der Göttliche zu hilf und heil die seele...
Unlängst erzähltest du vom früheren freund:
Sein helles aug ward matt · sein mund der blühte
Ward saftlos · enge ward die hohe stirn...
Ich weiss nicht ob du leib ob seele maltest.<




Der Weisheitslehrer

Seit dreissig jahren hast du gepredigt vor scharen
Wer steht nun hinter dir? >Kein einzelner - die welt.<
O lehrer dann hieltest du besser die türen geschlossen
Du hast für nichts gewirkt als für ein blosses wort.




Erzieher

Die alte bahn führt nicht zum ziel. Versuchen wir!
Eins · zwei schlug fehl! Nun lasst uns noch ein Drittes sehn!
>Du darfst nur tun wenn du im tiefsten glaubst du weisst..
In deinem amte ist versuchen freveltat.<




Belehrung

Um welchen preis gibst du mir unterricht?
>Lass mich den sinn der in dir ist erfahren
Dass du dich in der wahren schönheit zeigst -
Dein rechter lehrer bin ich wenn ich liebe..
Du musst zu innerst glühn - gleichviel für wen!
Mein rechter hörer bist du wenn du liebst.<




Zweifel der Jünger

Wer je ging in deiner mitte
Wie ist möglich dass er weicht?

>Manche sind die zeitlang dienen
Krankes blut schafft den verrat.<

Wer je sass bei solchem mahle
Wie kann der noch untergehn?

>Diese trinken sich das leben
Jene essen sich den tod.<

Deine lehre ist ganz liebe -
Und so furchtbar ruft sie oft?

>Diesen bringe ich den frieden
Jenen bringe ich das schwert.<


  Stefan George . 1868 - 1933






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