Stefan George
Der
Teppich des Lebens . 4. Auflage 1908
Nacht-Gesang
I
Mild und trüb
Ist mir fern
Saum und fahrt
Mein geschick.
Sturm und herbst
Mit dem tod
Glanz und mai
Mit dem glück.
Was ich tat
Was ich litt
Was ich sann
Was ich bin:
Wie ein brand
Der verraucht
Wie ein sang
Der verklingt.
II
Mich erfreute der flug
Aller tiefdunklen pracht
Aller ernten voll glut
Aller seufzer der nacht
Und von frauen die schar
Die uns lenkend uns fröhnt
Sie im wallenden haar
Sie im tanz erst so schön.
Und der jünglinge chor
Der mich feurig gegrüsst
Deren wort ich belobt
Deren scheitel geküsst.
Erst an euch hab ich spät
Hohe freunde gefühlt
Was uns mählich zerfällt
Und was ewig uns glüht.
III
Sei rebe die blümt
Sei frucht die betört
Dir lieb und gerühmt..
Nur meide was stört
Was siecht und vermorscht
Was hastet und brüllt..
Von seltnen erforscht
Der menge verhüllt
Begehre das graun
Das schwellt nicht mehr sprengt -
Das schöne zu schaun
Das wärmend nicht sengt
Bis traumstill auf höhn
Der strahl in dir tauscht
In goldnem getön
Dein leben verrauscht.
Stefan
George . 1868 - 1933
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