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Stefan George
Der
Teppich des Lebens . 4. Auflage 1908
Tag-Gesang
I
So begannst du mein tag:
Von verheissungen voll
Aus dem kindlichen tale
Ein jauchzen erscholl.
Du ergingst dich in strahlen
Bekränzt und erlaucht
Hast dein schimmerndes haar
Dann in blüten getaucht.
In umschwärmendem chor
Und in zitternder jagd
Nach den wiesen die woge
Nach silber smaragd
So folgen dir froh
Die dein lächeln erkürt..
O mein tag mir so gross
Und so schnell mir entführt!
II
Bewältigt vom rausche noch
sah ich ihm nach
Er wandte sich dem der ihn
liebend besprach.
Mein lob sich auf fittichen
hin zu ihm schwang
Bis ganz ihn im westen
die wolke umschlang.
Um wen soll ich werben mit
minderem hall
Da nichts wie Er gross ist und
nichts wie Er all!
So schritt ich vertrauert und
horchte mit fleiss
Zu schluchten gebeugt auf ihr
dunkles geheiss.
III
An dem wasser das uns fern klagt
Wo die pappel sich lind wiegt
Sizt ein vogel der uns gern fragt
Der im Iaube sich dem wind schmiegt.
Und der vogel spielt leis auf:
Flur und garten sind vom blühn tot
Jedes weiss sich schön im kreislauf.
Sieh die gipfel vor dir glühn rot!
Nur erinnrung lässt als traumsold
Der zu glücklichern seinen zug lenkt
Seiner hand entrieselt traumgold
Das er früh und nur im flug schenkt.
Heb das haupt das sich bang neigt
Ob aus tiefen ein gesicht winkt -
Und so warte bis mein sang schweigt
Und so bleibe bis das licht sinkt.
Stefan
George . 1868 - 1933
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