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Hugo Salus
Ehefrühling
. 1. Auflage 1900
Der Hochzeitstag
Heut ist's ein Jahr, daß wir ein Pärchen sind;
Früh gab es süße Thränen meines Weibchens,
Ich hört' ihr leises Schluchzen, Schlummer heuchelnd,
Da ich im Bette träumte; leise kam
Mein Süßes, Süßes an mein Bett geschlichen,
Und ihre Blicke, noch in Thränen schwimmend,
Fühlt ich auf meinem Antlitz selig ruhn;
Nun gab es Küsse, ungezählt und heiß,
Umarmungen und tausend Neckerein.
Dann saßen wir am straußgeschmückten Tisch
Beim frohen Frühstück; sie im Sommerkleid
- Es ist ein ganzer Sommertag für sich,
So zart und duftig, sonnig, märchenhell -
Kußhändchen werfend und von Zeit zu Zeit
Urplötzlich wieder einen Kuß verlangend.
Dann, wie besprochen, machten wir uns auf
Den ganzen Tag im Freien zu verbringen.
Mein Glück ging neben mir, schritt tapfer aus,
Vom Wegrand Blumen pflückend; und wir scherzten
Und waren närrisch heiter, wie zwei Kinder.
Im Dorf dann ein vergnüglicher Vormittag,
Ein Stündchen auf dem kleinen See, im Dunkel
Der Erlenbüsche, die in's Wasser tauchen;
Und dann im Wirtshausgarten auf dem blauen,
Großblumigen Tischtuch Hochzeitsschmaus: Die Wirtin,
Die drallen Arme unterm Busen kreuzend,
Mit ihrem hübschen Defreggergesicht
Lacht uns verliebten Leuten freundlich zu.
Dann tief im Walde auf dem Rasenteppich
Streckt' ich mich aus, mein Liebstes neben mir,
Mit Blumen mich bestreuend; ich entschlief
Im Schatten ihres breiten Sommerhuts,
Ihr weiches Händchen warm in meiner Hand.
Sie weckte mich, verschämt und wie ertappt,
Als durch die Bäume Städter sichtbar wurden;
Kreischende Flucht zum nahen Försterhaus.
Hier ein Diskurs mit einem Bauernburschen,
Der auf dem gelben Felde Ähren band
Und uns für Liebsleut' hielt.
Kaffee im Wirtshaus.
Mein Liebchen reicht mir zwischen jedem Schluck
Das rote Mündchen, das ich küssen darf.
Dann, da wir auf die Straße treten, lädt
Ein Rosselenker, der die Städter wohl
Herausgefahren, uns zur Mitfahrt ein.
"Wir gehn zu Fuß." Doch plötzlich stößt mich leis
Mein Weibchen in die Seite: "Sieh' ihn an".
Und, seltsam, aber wahr: es ist der Kutscher,
Der uns vor einem Jahr am Hochzeitstag
Zur Kirche führte. Er erkennt uns auch;
Nun Händedrücken, Fragen, frohe Scherze.
Mein Weibchen purpurrot, da er sie fragt,
Ob er nicht bald zur Taufe fahren dürfe.
Dann sitzen wir im Wagen, eng umschlungen,
Mein Schätzchen feierlich, wie Frauen sind,
Und glücklich ernst geworden durch den Zufall,
Der uns den Kutscher in den Weg geführt,
Mit dem einst unser tiefes Glück begann,
Den Zufall für was Gottgesandtes preisend.
Wir schauen träumend auf den breiten Rücken
Des Kutscherfreundes, der sich manchmal umkehrt
Uns zuzulächeln und sich mit uns freut.
Und auf dem breiten Rücken dieses Kutschers,
Der majestätisch auf dem Bocke thront,
Ziehn uns die Tage des vergangenen Jahrs
Wie Wandelbilder träumerisch vorüber:
Die Fahrt zur Kirche, unsre Hochzeitsreise,
Der blaue Himmel Roms, das weite Meer,
Die ersten Tage in der eignen Wohnung,
Die freudige Arbeit, wenn mein süßes Liebchen,
Mich küssend, über meine Achsel schaut.
Wir sind ganz still geworden, reines Glück
Füllt unsre dankerfüllten Kinderherzen.
Und plötzlich neigt sich weinend, außer sich
Mein Weib auf meine Hand, um sie zu küssen.
Wir sind zu Hause. Und im nächsten Jahr
Will ich am Hochzeitstag denselben Kutscher
In unser liebes, weißes Dorf bestellen -
Wenn ich ihn früher nicht zur Taufe brauch'!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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