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Hugo Salus
Ehefrühling
. 1. Auflage 1900
Der Namenstag
Vor
ihrem Namenstage werd' ich stets
Geheimnisvoll und seltsam; meine Stirn,
Sonst glatt geküßt, wird oft ein Furchenfeld;
Ich fahre mir, ich Heuchler, durch das Haar,
Als wär' ich Narr des Glücks vor Sorgen krank.
Sie sieht mich von der Seite ängstlich an,
Wenn ich aufseufzend wirre Worte murmle.
Und plötzlich hängt sie mir am Hals: "Nun sprich!
Ich geh' nicht eher weg, was fehlt dir, Liebster?"
Ich will mich aus den weißen Armen lösen,
Sie aber überschüttet mich mit heißen Küssen.
So beicht' ich zögernd: "Sorgen hab ich, Sorgen;
Für deinen Namenstag hab ich in China
Ein Theegeschirr bestellt. Sechs Reiter ritten
Vor sieben Monaten nach China aus.
Der Kaukasus ist schlimm, Sibirien schlimmer!
Wer weiß, ob sie ein Kurdenstamm nicht fängt,
Um, Liebste, ihren, deinen Schatz zu plündern!"
Sie lacht "du schlechter Mensch!" Ich aber seufze:
"Dann hab ich in Amerika für dich
Ein Seidenhemd aus Spinngeweb' bestellt.
Viertausend Indianerinnen weben
Seit einem halben Jahre das Gespinnst.
Wenn nun ein Sturm das Schiff auf Felsen schmettert!
Wenn die Matrosen meutern! O, ich Aermster!
Achttausend Golddukaten zahlt' ich schon!"
Sie lacht: "In Küssen will ich sie ersetzen."
Ich wehre mich. - "In Rom gefiel dir sehr
Vom Kapitol die Venus; sie ist dein;
Ich kaufte sie dem römischen Staate ab.
Ob sie zur Zeit hier eintrifft! Oesterreich rüstet
Die Venus mir zu rauben! O, vielleicht
Fiel sie vom Saumpfad krachend in den Abgrund!" -
"Hör' doch schon auf, du Schlimmer!" jubelt sie.
"Dann hab ich in Upsala dir die Bibel -"
Sie aber schließt mit Küssen mir den Mund:
"Du schlechter Mensch! Du Lügner, Dichter du!
Mein Dichter! Küßt ihn todt, er ist ein Dichter!" ...
Am Morgen ihres Namenstags geleit' ich
Die Feierliche singend in das Zimmer;
Mein Sang ist ernst, ein krauses Trauerlied.
Ein kleiner Blumenhain blüht auf dem Tisch.
Dann halte ich pathetisch meine Rede:
"O was ich fürchtete, traf furchtbar ein!
Ich bin der unglücklichste Glückliche.
Sechs Reiter ritten aus - zum Heldentod;
Das Schiff versank; die Venus fiel in Trümmer;
Die Bibel ist geraubt! O Thränen, Thränen!
Drum hab ich dir vom Reste meiner Habe
Nur dieses kärgliche Geschenk gekauft:
Dies Meißner Täßchen, dieses Spitzentüchlein,
- Wie grob, verglichen jenem Spinngeweb,
Mit dem die Meerfrau jetzt den Busen deckt! -
Dies Bronzefigürchen deiner Marmorvenus
Und hier dies Buch, unbiblisch, ketzerhaft,
Mit schlechten Versen, die ich dir gedichtet."
Sie lacht und weint; ich aber werde weich:
"Doch siehst du alles dies mit Liebe an,
Wer weiß, ob nicht die Schätze d'raus erstehn,
Die ich allein für deiner würdig hielt."
- "Du guter, guter Mann!" -
Und
unter Thränen
Und heißen Küssen geht mein Pathos unter.
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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