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Hugo Salus
Ernte
. 1. Auflage 1903
Hochzeitsreise
Heut früh, beim Durchdiefeldergehn,
Hab' ich was Wunderbares gesehn:
Über die Schienen, durchs Grün gezogen,
Kam ein donnernder Zug geflogen.
Auf der Maschine, wer lenkte den Flug?
Stand ein Bübchen und führte den Zug,
Nackt und schien sich mit Flüglein zu fächeln
Und mich Staunenden anzulächeln.
Aus dem Schlote bei jedem Stoß,
Stieg ein Wölkchen, nicht eben groß,
Aber das ganze wirblichte Wölkchen
Nichts, als ein lachendes Puttenvölkchen!
Und das löst sich und setzt sich aufs Dach
Oder flattert dem Zuge nach,
lustig im Frühlingswinde sich wiegend,
Gaukelnd die donnernden Wägen umfliegend,
Auf und nieder und eng gedrängt
Oder vom Wind durcheinander gemengt.
Wie ich so staune, - wer sah auch im Leben
Je so ein Wunder vorüberschweben! -
Seh ich an einem Fenster zwei,
Als ob ich's selbst und mein Schätzchen sei,
Und aus den Lüften lockt eine Weise:
"Hochzeitsreise, Hochzeitsreise!
Wenn du hier stehst, so wird nichts daraus!
Narr, lauf der Liebsten nur gleich ins Haus!
Allerorten stehn solche Züge
Für zwei Brautleute. Fliege! fliege!" -
Könnt euch denken, wie närrisch ich lief!
Wie ich mein Liebstes mit Namen rief!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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