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Hugo Salus
Ernte
. 1. Auflage 1903
Hymnus
Einmal im Jahr über dem ewigen Rom
In einer tiefdunklen Nacht über den Petersdom
Kommen die Kronen der Welt durch die Lüfte gerauscht.
Dort, in der Kuppel versteckt, hab' ich ihr Lied erlauscht:
Wir sind die Kronen der Welt,
Uralte und junge Herrscherkronen,
Und sind die Kronen über Millionen.
Vor unserm Leuchten fällt
So Knecht wie Held
Demütig nieder vor den Thronen,
Denn wir verdammen und belohnen.
Wir sind die Kronen der Welt.
So klingen die Kronen der Welt in einer tiefdunklen Nacht über dem Petersdom.
Dann aber schwingen sie sich höher empor in die Luft, höher empor über Rom
Und ihr höheres Lied braust wie ein ferner Strom:
Wir sind die Kronen der Welt
Und sind bestellt,
Von einem Haupte zum andern
In ewigem Wechsel zu wandern, zu wandern.
Auf tausend Häuptern zu Fluch und Segen
Sind wir gelegen
Und haben die Stirnen, die wir beglückt,
Zu Boden gedrückt.
Wann aber, wann kommt der Held,
Der allen Kronen vermag zu entsagen
Und alle zu tragen?
Wann kommt unser Held?
Wir sind die Kronen der Welt!
So klingen die Kronen der Welt in einer tiefdunklen Nacht über dem ewigen Rom.
Dann aber schwingen sie sich höher, noch höher empor
Und in den Wolken verrauscht brausend ihr mächtigster Chor ...
Und die Wolken ziehn
Und die Kronen erglühn,
Tausend Kronen sprühn,
Tausend Sterne erblühn auf dem himmlischen Feld;
Und es strahlen fern
Im Diademe des Herrn,
In der Krone des Herrn
Mond und Stern.
Aber schon schwindet die Nacht
Und die Sonne erwacht.
Wie ein fröhlicher Held
Tritt sie hervor aus dem Zelt.
Mond und Sterne verglühn
Und die Sonne, sie lacht über der strahlenden Welt.
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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