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Hugo Salus
Ernte
. 1. Auflage 1903
Sforza
Der große Sforza ward hundert Jahr,
Eh der Docht seines Lämpchens trocken war.
Er aber liebte die Flamme so sehr
Und kämpft mit dem Tod und gibt sie nicht her.
Und der Tod war müd und sprach auf ihn ein:
"Dein Lämpchen verflackert, so gib dich drein!
Kein andrer hat je so gelebt wie du,
Schließ endlich die glühenden Augen zu!"
Das Lämpchen kämpft, das Flämmchen glüht,
Und Sforza lebt und der Tod war müd.
Und Sforza weiß: nun hüte dich,
Kein Wörtchen sprich! Es tötet dich!
Und der Tod erzählt ihm von Schiff und Pferd,
Von Kampf und Sieg, von Mann und Schwert,
Von Dolch und Gift. "Erinnerst du dich?"
Doch Sforza schweigt: Ich hüte mich.
Und der Tod erzählt ihm von Weib und Kind,
Von Töchtern, die längst gestorben sind,
Von Sohn und Enkel. "Erinnerst du dich?"
Doch Sforza schweigt: Ich hüte mich.
Da beugt sich der Tod hernieder auf ihn:
"Du hast mich besiegt, ich lasse dich ziehn!
Du magst dich fürder des Lebens freun,
Schöne Mädchen sollen dir Rosen streun!"
Und Sforza lauscht. Schöne Mädchen? Er packt
Des Todes Arm. Er schreit: "Ja, nackt,
Ganz nackt!" Er röchelt. Sein Auge sprüht,
Sein Auge bricht. Das Lämpchen verglüht.
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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