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Hugo Salus
Gedichte
. 1. Auflage 1898
Der Sieger
Olympia! Mir sprengt das Herz die Brust!
Bin ich derselbe, der ich gestern war?
Der Vollkraft ungeheure Daseinslust
Durchströmt, entzückt, erhebt mich wunderbar.
Vor meinem Volke steh' ich, mein Gesang
- Mir selbst ein Wunder - strömt sich hell und voll
In Harmonien aus von Erzes Klang,
Mit meinen Lippen spricht der Gott, Apoll!
Mein Lied verklingt. Kein Laut. Dann, ein Orkan,
Rast wilder Beifall die Arena hin,
Und tausend Kränze regnen in die Bahn,
Und meine Harfe ist die Siegerin.
Ich, aus dem letzten Dorfe, bin der Held,
Von meinem Haupte strahlt des Ruhmes Glanz
Und füllt mit neuer Pracht die dunkle Welt,
Und meine Stirne krönt der Lorbeerkranz.
Nun, Jünglinge, begleitet mich nach Haus.
Nicht nehm' ich eher diesen Kranz vom Haupt,
Und ziehe eher nicht die Toga aus,
Bis meinen Ruhm mein ernster Vater glaubt.
Durch Hellas ziehn wir hin, und jauchzend weckt
Mein Preis das Land und eilt, uns meldend, vor.
Dort liegt das Dorf am Hügel hingestreckt;
Und dies ist meines Vaterhauses Thor.
Aufsteht der Vater von der Ofenbank.
Er sieht mich an, die Toga, meinen Kranz;
Vor seinem Auge schrumpft mein Überschwang,
Wird grau des Jubels bunter Farbenglanz.
Ich streife langsam von dem Haupt die Zier,
Und von den Gliedern ab das Festgewand.
Er spricht: "Du weiltest lange weg von hier.
Die Sichel nimm. Das Gras ist fast verbrannt!"
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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