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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Hugo Salus
Gedichte . 1. Auflage 1898



Die Bücher

Sieh, von diesem mystischen Schreine
Zieh ich weg das grüne Tuch:
Liebste, bei der Lampe Scheine
Siehst du stehen Buch an Buch.

Diese ganze Bücherreihe
Hab' ich lebend aufgebaut;
Fühlst du Ernst in dir und Weihe,
Sei ihr Inhalt dir vertraut;

Denn, so wenig auch mein Leben
Für die Allgemeinheit sei,
Geb' ich doch mit tiefem Beben
Fremdem Blick die Einsicht frei.

Du versenkst dich in mein Leben,
Wenn du diese Bücher liest;
Bebe nicht, wenn du entschweben
Manchen duftigen Schleier siehst!

Hast du von der Kindheit Tagen
Blatt um Blatt mit treuem Sinn
Sorgsam lesend umgeschlagen,
Weißt du völlig, wer ich bin.

Nichts verschwieg ich: Sünd und Tugend
Steht verzeichnet Wort an Wort,
Schäum' ich heut' in saftiger Jugend,
Morgen bin ich welk, verdorrt;

War ich gut und edel gestern,
Handl' ich heute, wie ein Wicht!
Meine Kehle, rauh vom Lästern,
Flötet morgen ein Gedicht.

Strebt' ich schön und gut zu handeln,
Fehlt' ich hundertmale doch!
Nicht, im Gleichgewicht zu wandeln
Lernte ich und schwanke noch!

Täglich schrieb ich. Meiner Beichte
Fehlt beschönigender Schwung,
Fehlt des Alters wehmutfeuchte
Thräne der Erinnerung.

So in diesen moderdumpfen
Büchern blätternd, siehst du bald
In ein Nichts zusammenschrumpfen
Deines Liebsten Traumgestalt.

Und nun magst du wohl bedenken:
Willst du lesen Buch um Buch?
Oder soll ich lieber senken
Drüber wiederum das Tuch?


  Hugo Salus . 1866 - 1929






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