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Hugo Salus
Glockenklang
. 1. Auflage 1911
Auf einem Sockel
"Du stellst auf einen Sockel, teurer Meister,
Auf einen Sockel diese beiden Frauen,
Die nur dein Eigensinn zu einen scheint?
Dies nackte Wunder eines schönen Weibes,
Verlockend, schmiegsam, bebend vor Begierde,
Im heißen Gürtel zweier Männerarme
Sich zu beleben und dahinzuschmelzen,
Dies Wunderbild aus Glut und Duft und Sehnsucht?
Und auf den gleichen Sockel diese Frau
Im strengen Kloster ihres Faltenkleids,
Das jedem Männerblick mit Strafen droht?
Von Angesicht gleicht eine fast der andern,
Und doch, ist denn mein bunter Frühlingsgarten
Mein Garten noch, wenn Schnee ihn starr umhüllt?
Was soll dies Doppelbild auf einem Sockel,
Seltsamer Meister, sag, was eint die beiden?" -
Der Meister schweigt. Er hebt die schweren Lider,
Er schaut die Nackte an, schaut die Verhüllte,
Die Glühende, die Keusche. Und er sagt:
"Was beide eint? Der Traum des Manns vom Weibe..."
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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