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Hugo Salus
Glockenklang
. 1. Auflage 1911
Das neue Buch
Stets, wenn von mir ein Buch erscheint,
Wird plötzlich mein bester Freund mein Feind!
Er weicht mir aus, ich seh' es ihm an,
Daß er mir was nicht verzeihen kann.
An seiner Treue darf ich nicht zweifeln:
Er kämpfte für mich mit allen Teufeln,
Er ließe für mich, führwahr, ohne Beben,
Das darf ich ihm glauben, Gesundheit und Leben!
Doch, wenn mein neues Buch erscheint,
Es nützt nichts, wird mein Freund mein Feind.
Und das kommt so: in den Blättern stand,
Von Salus erschien ein neuer Band.
Das hat er natürlich auch gelesen;
Diesmal sind es Novellen gewesen.
Da drückt es ihn sehr in diesen Tagen,
Er möcht' mir ja gern was Nettes sagen,
Etwa: dein Buch gefällt mir sehr...
Wenn nur nicht just dieses Eine wär':
Wie gesagt, er wäre bereit, sein Leben
Ruhig für mich herzugeben,
Aber mein Buch zu lesen oder gar zu erwerben -
Lieber würde er für mich sterben!
Und so kommt es in dieser Zeit,
Wenn er mich sieht, im Bogen weit
Weicht er mir aus, als hätt' ich die Pest
Oder ein unappetitlich Gebrest.
Und so geschieht es mir stets vom neuen.
Gott, warum muß ich auch diesen treuen,
Guten Freund so schwer betrüben!
Warum hab' ich dies Buch geschrieben! -
Wenn die Blätter mein Buch dann loben,
Er glaubt den Blättern, ohne zu proben,
Nur daß ihr Lob ihm zu schwach erscheint,
Denn - er ist ja mein bester Freund!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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