Der Emporkömmling

Als ich mit den Baronen zechte,
Meinen Schuldnern, denn mir gehört
Rings alles Land, dem Sproß der Knechte,
Hei, wie schwelgt' ich bei ihren Gelagen,
Nun hat mein Müh'n erst Zinsen getragen,
Jetzt erst ist all mein Wünschen erhört!

Lachend tranken dem Niedriggeborenen
Da die immer Fröhlichen zu!
Sie, die Freien, zum Herrschen Erkorenen,
Sie, die Schwert- und Becherschwinger
Nannten mich jubelnd "Schollenbezwinger",
Und sie riefen mich Freund und du!

Aber noch eines wollt' ich erreichen:
In der Barone glänzenden Reihn
Sollten mich, nimmer als ihresgleichen,
Meine Brüder sehn und beneiden,
An ihrer Mißgunst wollt' ich mich weiden,
Dann erst wollt' ich ganz glücklich sein!

Und sie ließen die Hörner erschallen
Und wir ritten prächtig dahin.
Aber mein Wams war das reichste von allen,
Und ich saß auf dem edelsten Rosse,
Ich, ihr beneideter Freund und Genosse,
Der ich der Reichste von allen bin.

Und so sausten wir hin durch die Gasse,
Und ich hab' manchen Blick gesehn,
Glühend von Neid und sprühend von Hasse!
Und schon wollte mein Herz frohlocken,
Da, wie ward mir?, blieb es erschrocken
In der Brust mir stille stehn.

Auf einen Knäuel lungernder Leute,
Niedrigstes Volk, um ihr Elend geschart,
Hetzt mein Nachbar Baron seine Meute,
Und er höhnt: "Sieh an, deine Brüder!
Schau, unsern Hunden sind sie zuwider!
Und selbst der deine scheint besserer Art!"

Da, im Anblick der niederen Sippe,
Dieser verlotterten Satansbrut,
Dieser Krüppel und Hungergerippe,
Bettler und Strolche, Diebe und Dirnen,
Fühlt' ich jäh mein Herz sich erzürnen,
Aufglühn und schmelzen: sie sind dein Blut!

Und so trat ich unter die Elenden
Und ihre Schande färbt mein Gesicht;
Denn im Herzen fühlt' ich den quälenden,
Nagenden Schmerz: sie sind deine Brüder!
Plötzlich rief ich: "Hier habt ihr mich wieder!
Brüder, hier bin ich! Verschmäht mich nicht!

Weh, was ist euch? Weicht ihr zur Seite?
Kennt ihr mich nicht! Euer Bruder bin ich!
Seht, die Herren reiten ins Weite,
Laßt ihr mich betteln? Dies Geld soll euch bannen!" -
Murrend drückt sich die Rotte von dannen,
Knurrend schmiegt sich mein Hund an mich...


  Hugo Salus . 1866 - 1929

Expressionisten
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