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Hugo Salus
Glockenklang
. 1. Auflage 1911
Der Heimatlose
Was wißt ihr, die ihr Heimat habt,
Vom Heimatswunsch des Heimatlosen!
Mag euch der Schicksalssturm umtosen,
Ach, ihr seid reich und seid begabt!
So arm ihr sein mögt, seid voll Mut,
Kehrt heimwärts, ihr pocht nie vergebens
Am Heimatstor: im Boden ruht
Dort fest der Anker eures Lebens.
Nicht dort ist Heimat, wo in Wehn
Die Mutter euch ins Leben setzte,
Dort, wo als Fluchtstatt noch, als letzte,
Der Kindheitsträume Burgen stehn,
Wo ihr noch ahnungslos und rein
Das Paradies geträumt auf Erden,
Wo ihr noch Kinder durftet sein,
Eh' daß ihr mußtet Menschen werden!
Doch weh' dem Elenden, dem Haß
Schon seinen Kindheitswahn zerstörte,
Dem nicht ein Häufchen Sand gehörte:
Des Nachbars Kind mißgönnt ihm das!
Der durch sein Blut, der Mutter Wort
Ein andrer schien ringsum den andern,
Ihn stößt die Heimat grausam fort,
Und seine Heimat liegt im Wandern.
Mein Kind, mein Bub, ich beuge mich
In banger Liebe auf dich nieder;
Dir schließt der Frieden noch die Lider,
Und traumlos schaust du noch um dich.
Doch bald erwachst auch du zum Traum
Und sollst dir deine Heimat gründen:
Dann mögen deine Füßchen Raum
Für ihre Kinderheimat finden.
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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