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Hugo Salus
Glockenklang
. 1. Auflage 1911
Gruß vom Meere
Poseidon schlief; das Meer lag spiegelglatt.
Nur wo Selenes Silberschuh die Flut
Mit flüchtigen Sohlen rührte, war ein Flimmern
Und floß vom Horizont zum Strande her.
Die Wogen unserer Seelen schäumten auf,
Mond! Meer! Klare Unendlichkeit!
Und, da nun jeder Mund zu schwärmen anhob,
Sahst du, du rätselhaftes, bleiches Mädchen,
Mit seherischen Augen auf das Flimmern
Der weißen Wellen in dem Streifen Mondscheins
Und schautest weit, weit übern Rand des Meers
Und sprachst, uns allen unklar: "Seht, die Wellen,
Sie flimmern wie des Silberahorns Blätter,
Wenn sie der Zephir rührt." - Und sahst mich an,
Du rätselhaftes, schönes, bleiches Mädchen. -
Heut aber, da ich fern von jenem Meer
In meiner Heimat bin, sie ist dir fremd,
Du Blüte aus dem Süden, Mondenschein
Liegt flimmernd auf den Bäumen meines Gartens,
Mit einem Mal seh ich dein dunkles Auge
Vom Strande eines weiten, fernen Meers
Herüberglänzen bis zu meinem Garten,
Darin des Silberahorns Blätter flimmern,
Des Silberahorns Blätter, seltsam! seltsam!,
Die wie des Meeres kleine Wellen schimmern;
Und wie ich mich besinnen will und staune,
Da fühl' ich einen rätselhaften Gruß
Von fernen, fernen, bleichen Lippen her
Zu meines Silberahorns Blättern wehn
Und fühl' dich nah und weiß: du denkst an mich...
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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