Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Neue Garben
162 Bücher



Hugo Salus
Neue Garben . 1. Auflage 1904



Der Parnaßgeher

Als ich auf den Parnaß zu gehen
Anfing, hatt' ich mich wohl versehen;
Was uns die Alten an Geist überkommen,
Hatt' ich im Ränzel mitgenommen,
Auf dem Wege an ihren Werken
Meine keimende Kunst zu stärken;
Dann, was die fremden Völker gedichtet,
Hatte ich weislich darüber geschichtet;
Drüber in Bändchen mit kleinem Druck
Von unsern jungen Dichtern genug,
Um mir den Rücken gehörig zu drücken:
So gedacht' ich in allen Stücken
Recht ein Parnaßbesteiger zu sein.
Oft - fast an jedem Meilenstein -
Blieb ich, den Ranzen lüftend, stehen,
Rasch in eines der Bücher zu sehen,
Daß ich mir dran ein Beispiel nähme,
Wenn mir beim Wandern das Dichten käme.

Aber die Sonne war heiß und schwül,
Und des Ranzens ward mir zu viel.
Langsam begann ich den Überschweren
Seines Inhalts zu entleeren:
Erst fing ich an, die Unmodernen,
Überflüssigen zu entfernen,
Dann, je höher ich aufwärts kam,
Immer dreister Ballast ich entnahm,
Und auch die Jüngsten folgten den andern!
Immer leichter ward mir das Wandern,
Immer freier ward mir die Brust,
Immer größer die Sangeslust.
Jetzt, wahrhaftig, jetzt seh' ich vom weiten
Schon des Parnassos Gipfel sich breiten,
Und auf einmal auf meinem Gang
Wird mir einsamem Wanderer bang:
Darf ich, so ganz auf eigenen Füßen,
Dort die Dichter alle begrüßen?
Darf ich mit den paar eigenen Klängen
Dreist mich unter die Künstler mengen?
Soll ich nicht lieber nach Hause gehn
Und wieder in alle die Bücher sehn? ...


  Hugo Salus . 1866 - 1929






Gedicht: Der Parnaßgeher

Expressionisten
Dichter abc


Salus
Gedichte
Neue Gedichte
Reigen
Ehefrühling
Ernte
Neue Garben
Die Blumenschale
Glockenklang
Die Harfe Gottes

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Der Parnaßgeher, Hugo Salus