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Hugo Salus
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1899
Acherontische Sizilianen
I.
Der Wunsch.
In meine Hände, wenn ich einmal sterbe,
Legt eine volle, blühende Guirlande,
Und diesen Wunsch erfülle mir mein Erbe!
Daß an des Acherons tiefernstem Strande
Ich mir der Fahrtgenossen Gunst erwerbe,
Erschein' ich heiter, Rosen am Gewande;
Daß Charon lächeln muß, der düster derbe;
Und daß sich mein Empfang, wenn ich dort lande,
Vom Widerscheine meiner Blüten färbe .....
II.
Die Sprache.
Ein Häuflein Seelen stand schon fröstelnd hier,
Auf Charon wartend und den dunklen Nachen;
Da war es seltsam und vertraulich schier,
Als wir das grauenvolle Schweigen brachen:
In einer Sprache sprachen alle wir,
Eh wir im Boot des Tods vom Strande stachen,
Und sprachen lächelnd, ohne Hast und Gier,
Und Frieden war's und Milde, was wir sprachen.
III.
Abfahrt.
Nun klatscht ein Rudertakt vom Wasser her,
Und knirschend unterm Kiele ächzt der Sand.
Es klirrt der Obolus; und dumpf und schwer
Löst der gefüllte Nachen sich vom Land.
Da stürzt ein Greis zum Strand und hoffnungsleer
Gellt's: "Charon, Gnade!"
Der hebt ernst die Hand
Und schüttelt stumm das Haupt. Und Ahasver
Schickt uns sein Jammern nach vom dunklen
Strand ...
IV.
Die Fahrt.
Nun gleiten wir schon ungezählte Jahre
Und sehn noch endlos sich die Wasser breiten.
Von Charons Ruder in die dunkel-klare,
Bewegte Flut sehn wir die Tropfen gleiten,
Und sehn sie werden und ins dunkelklare
Und leis bewegte Wasser niedergleiten.
Und dieses ist das große, wunderbare
Mysterium des Tods: wir gleiten, gleiten ....
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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