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Hugo Salus
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1899
Das Frühlingslied
Dieses Frühlingsliedchen hier,
Junge Dichter, glaubt es mir,
Ist es auch an Wuchs ein Zwergchen,
Dennoch künd' ich euch mein Glück:
Dieses ist mein Meisterstück
Und fürwahr ein Wunderwerkchen!
Es ist ganz aus Sonnenschein;
Zwischen seine Zeilenreihn
Ließ ich Sonnenstrahlen fluten,
Wie ein goldner Blütentraum,
Wie ein junger Frühlingsbaum
Steht es ganz und gar in Gluten.
Worte, die ich oft gebraucht,
Deren Duft schon lang verhaucht,
Deren Farben längst vermodert,
Sind verwundert aufgewacht,
Und sie glühn in neuer Pracht,
Da die Sonne sie umlodert.
Nein, es sind nicht Worte mehr!
Jede Zeile, blütenschwer,
Ward zur duftenden Guirlande!
Blütenschwer und blütenleicht;
Wenn der Zephyr drüber streicht,
Zittern sie im Sonnenbrande.
Und aus diesem kleinen Lied
Wie aus Mädchenträumen glüht
Ahnung eines nahen Glückes,
Sehnsucht, die nach Liebe drängt,
Die sich bebend tief versenkt
In den Lenz des ersten Blickes.
Und ihr ruft: "Sprich nicht so lang!
Sing uns diesen Wundersang,
Und an Lob soll dir's nicht fehlen!"
Stümper! Wenn ihr Dichter seid,
Klang es schon die ganze Zeit,
Da ich sprach, in euern Seelen!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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