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Hugo Salus
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1899
Der weise Stein
Wahnsinnig Volk, berauscht von wilder Wut,
In starren Augen Haß und tolle Glut
Und Lust an Mord und Trunkenheit und Tücke,
Durchrast die Stadt und trümmert sie in Stücke.
Und in mein stilles Dichterkämmerlein
Schickt mir der Pöbel seinen Gruß herein:
Das Fenster klirrt, ein Stein fällt vor mir nieder;
Das ist der Dank des Volks für meine Lieder!
Du harter Stein, mehr als dein Schütz beseelt,
Der du so brav und gut dein Ziel verfehlt,
Bewahren will ich dich mein ganzes Leben;
Du hast mir einen weisen Rat gegeben!
Du sagst mir dies: Was du auch künden magst,
Was du in heiligem Wahn auch singst und sagst,
Glaub nicht in deines Überschwanges Rausche,
Daß dir dein Volk in frommer Andacht lausche!
Du stehst allein und singst für dich allein!
Dein dankbar Volk beut dir den Kieselstein;
Und zwingt's dich doch, dein einsam Lied zu singen:
Laß nicht die Gasse in dein Zimmer dringen!
Und sagst mir dies: Veredle deinen Sang
Mit gläubigem Herzen - willst du solchen Dank!
Doch willst du unter deinem Volk dich zeigen,
So mußt du in das Volk herniedersteigen!
Dein "griechisch Christusherz" ist Firlefanz!
Entkleid' die Seele ihres Prunkgewands,
Streif die Sandalen ab von deinen Sohlen:
Johl du mit ihnen, daß sie mit dir johlen!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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