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Hugo Salus
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1899
Mäcenas
I.
Aus meinem Dorfe in den Bergen droben
Fuhr ich auf meinem Wägelchen zu Thal.
Magst du, Horaz, das Bauerndasein loben:
Leb es wie ich, es wird dir bald zur Qual!
Das Herz voll süßer Lieder, unter Knechten
Dahinzudämmern, bin ich noch zu jung,
Vielleicht zu frei - ich will mit dir nicht rechten -
Von eurer Großstadtübersättigung!
Drum wählt' ich gestern aus den Liederrollen,
Aus meinem Schatz, was mir zumeist gefiel,
Die Verse, die auch ihm gefallen sollen,
Rom ist mein Wunsch, Mäcenas ist mein Ziel.
Dies ist der Traum der Nächte und der Tage,
Vor dem das Dunkel meiner Sehnsucht wich,
Daß er zu mir die stolzen Worte sage:
Poet aus Veli, dich grüßt Rom durch mich!
Ich bin in Rom! Marmor und Glanz und Leben,
Ein ewiges Fest, ein Rausch von Licht und Pracht!
Ich habe, ganz dem Wunder hingegeben,
Kein Aug' geschlossen diese lange Nacht;
Nun wird es Tag, die heißen Lider brennen,
Die Sonne lacht, sie leuchtet meinem Glück:
Rom kennt mich nicht, es wird mich Abend kennen,
Und mit dem Lorbeerkranz kehr' ich zurück!
II.
Abend und dunkle Nacht. Ich fahre wieder
Auf meinem Bauernwägelchen nach Haus.
Zerknittert sind die Rollen meiner Lieder,
Mein Herz ist trüb, mein schöner Traum ist aus!
Das war die Ausgeburt der Langenweile:
"Mäcenas, aller Kunst erhabner Hort!"
Ihr Gäule zieht! Ich habe große Eile;
Nur fort von Rom, aus dieser Stickluft fort!
Ich war im Haus Mäcens! Ich hielt die Rollen
Ans bebende, erregte Herz gepreßt,
"Die Verse, die auch ihm gefallen sollen",
Ja, wenn er an sein Ohr sie dringen läßt!
Da war ein Pförtner, der mich lang verhörte,
Woher ich komme, wer mein Vater wär,
- Ihr Gäule zieht, sonst spürt ihr meine Gerte! -
Ob ich ein Freier sei, was mein Begehr!
Die Rollen wies ich ihm. "Ich bin ein Dichter!
Mäcenas such' ich; ihm gehört mein Sang;
Er sei mein Freund, mein Schutz und sei mein Richter!"
Er lächelte und ging. Ich harrte lang.
Er kam zurück: "Mäcenas läßt dir danken,
Er ist nicht wohl; er fährt noch heut aufs Land.
Dies schickt er dir!" - den Boden fühlt' ich wanken -
Und drückt ein Geldstück frech in meine Hand.
Ich stürzte fort. Ich schirrte selbst die Pferde.
Ihr braven Gäule, euch gings heute schlecht!
Bald stampft ihr wieder unsere Heimatserde;
Verschnauft euch nur! Wir kommen schon zurecht.
Der Weg wird steil; dort hinten in der Ferne
Liegt Rom; dort, wo es aus dem Nebel glüht.
Wie doch die Nachtluft kühlt! Wie hell die Sterne
Herniederflimmern! Ach, was bin ich müd ....
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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