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Max Dauthendey
Die
ewige Hochzeit. Der brennende Kalender . 1. Auflage 1905
April
Es stehen am Himmel viel reiche Wolken
Als schliefen darinnen viel weiche Mädchen;
Es sehen die Augen mir über die Erde
Als wären sie Ritter auf prunkem Pferde.
Mir ist als müßt ich zum Kirchhof gehen
Und rufen dem Tod: laß die Toten aufstehen!
So breit wandern Männer heut durch die Stadt
Als ob jeder ein Weib unterm Herzen hat.
Schwanger sind die Fenster an jedem Haus,
Neugeboren schauen die Mädchen heraus.
Das Pflaster der Straße hat keinen Sinn,
Wie Wolken schwimmen die Menschen dahin,
Und trunken ein Jeder wie in Dämmerung steht;
Es wird ein seliges Dunkel wenn der Abend aufgeht.
Mädchen, ach, Dein Hals ist fein
Und Dein Haar ein Heilgenschein;
Nur Dein Äuglein blinzelt sehr
Und gibt nichts vom Herzen her.
Ach, Dein Leib ist wie ein Lied
Das durch meine Adern zieht.
Solltest einmal Dich nicht wehren,
Wollt Dir ein Geheimnis lehren:
Daß Du erst geboren bist
Wenn Du alle Welt vergißt;
Daß die Welt erst wirklich wird
Wenn Dein Herz sich drin verirrt.
Daß die Nächte, jene wachen,
Aus den Tränen Sterne machen;
Und daß Du noch nie gelacht
Eh ein Mann Dich weinen macht.
Mädchen, horche auf Dein Blut,
Dann erst wird Dein Herz Dir gut.
Wo mein Schatz vorüberging
An der braunen Buchenhecken
Flog der erste Schmetterling,
Goldgelb wie ein Sonnenflecken.
Sicher hat er sich versehen,
Hielt für Blümlein ihre Wangen;
Und er mußte auferstehn,
Ist der Röte nachgegangen.
Heute Abend stirbt er dran
Denn kein Grashalm will noch sprießen;
Schatz, wer dich nicht küssen kann,
Blumenleer sind dem die Wiesen.
Zu Luft wird jede kommende Stund,
Sehnsucht liegt mir wie Salz im Mund.
Die Sehnsucht streicht gebückt einher,
Sie starrt mit den Steinen hinaus auf's Meer;
Die Sehnsucht horcht, die Sehnsucht späht,
Ob nicht ein Fuß auf den Wellen geht;
Jede Welle im Abend klingt wie ein Schritt
Als brächte die Nächste die Seligkeit mit.
Sie ist wie der Wind in den Bäumen,
Sie wendet die Blätter im Nu,
Die Sehnsucht läßt sich nicht zäumen,
Sie stiehlt von den Kissen die Ruh.
Ich muß sie wie Zugluft spüren,
Sie zieht mich mit Unruh am Schuh;
Sie stellt sich zwischen die Türen,
Meine Türe geht nicht mehr zu.
Meine Augen, Ihr Narren im Träumen,
Ihr Tänzer im dunkeln Haus,
Sie ist wie der Wind in den Bäumen
Die Sehnsucht, sie löscht Euch aus.
Blütensträucher stehen verliebt beim Teich,
Jeder Tag macht jetzt dürre Hölzer reich.
Wohl halten die Mädchen die Hände im Schoß,
Doch ihre Herzen steigen lautlos
Und wie der Vollmond lockend und groß.
Ich habe die blühenden Sträucher beschaut,
Jede Blüte war eine herzliche Braut,
Und jede hat blind der Liebe vertraut.
Max
Dauthendey . 1867 - 1918
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