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Die ewige Hochzeit. Der brennende Kalender
162 Bücher



Max Dauthendey
Die ewige Hochzeit. Der brennende Kalender . 1. Auflage 1905



Juni

Seit Sommerglut in den weißen Gassen
Laben die Steine die heißen Blut.
Mir scheint, als wär von den Steinen allen
Jeder einem Mädchen vom Herzen gefallen;
Mit leichterem Schritt tanzt jedes kleine
Herzklopfende Mädchen über die Steine.
Sie tragen in den Adern Rosen statt Blut
Und müßten's klagen, daß nichts mehr wehe tut.




Jetzt wachsen Rosen Pfund bei Pfund,
Man pflegt sie am Busen
Und trägt sie im Mund,
Dem Dichter sind sie wie Musen.

Sie reden voll Inbrunst süß und geheim,
Es duftet ihr Atem, sie reden im Reim,
Beschwören uralte Schwüre herauf;
Die Mädchen schauen errötend auf,
Die Rose tut Jede gut kleiden,
So daß Rosen die Mädchen beneiden.




An allen wilden Hecken
Sind jetzt die Rosen los,
Tun Büsche mit Küssen bedecken
Und flattern Dir leicht in den Schoß.

Die Mädchen bleiben gern stehen,
Bei Rosen hat jede gute Zeit;
Muß man durch Dornen auch gehen,
Für Küsse zerreißt man sein Kleid.




Seligkeiten die umgehen
Sind die Rosen, und im Garten
Wo sie über Nacht entstehen
Glaubt Dein Aug ein Herz zu sehen,
Tut Dein Blut ein Glück erwarten.

Rosen sind warm ausgedacht
Wie entschleierter Frauen Pracht,
Leben, sterben vom Gefallen;
Allen Wangen die jung blühen
Will die Luft voll Rosen hangen,
Will der Rose Seele glühen.

Rosenblätter wollen kühlen;
In Herznot und Liebesbangen
Können Rosen mit Dir fühlen.
Rosen sind erfüllt Verlangen,
Augenblicke ohne Zeit
Die zwei Glückliche genossen;
Wo in Büschen Rosen sprossen
Atmest Du noch Seligkeit.




Gern höre ich Vögel mit runden Kehlen
Von jeder Mauer den Winden sagen:
Ihr dürft nicht das Lachen nach seiner Dauer
Und Liebe nicht nach der Ewigkeit fragen.

Und Rosen versunken in ihren Büschen
Höre ich trunken und lautlos sagen:
Liebe ist eine zerbrechliche Krone,
Du mußt sie vorsichtig auf Händen tragen.

Verwundert seh ich die zagenden Menschen
Noch Fragezeichen zum Nachthimmel tragen;
Ich leg meinen Kopf in den Schoß der Geliebten,
Und gelöst sind für Himmel und Erde die Fragen.




Es liegt ein Garten gleich über der Straßen,
Dort stehen die Blumen in bunten Gassen;
Dort ist ein Brunnen mit bangem Schacht,
Im Brunnen unten da wohnt die Nacht.
Die Blumen starren am Tag gradaus,
Doch steigt die Nacht aus dem Brunnenhaus,
Tuen die Blätter die Seele verkaufen,
Sie hängen lautlos in toten Haufen;
Im Garten jeder Weg sich verschiebt
Weil die Nacht tödtliche Sehnsucht gibt.
Dann starre ich über die Straße hin,
Der Garten drüben verwirrt meinen Sinn;
Gerüche gehn wie Gesichter hervor,
Wie Brüste heben sich Blumen empor;
Manche schaun wie Pupillen hinaus
Und weinen sich auf den Blättern aus.
Mit Mädchenhänden geht's Mondlicht durch's Laub,
Und Schatten fallen wie Masken zum Staub.
Der Garten scheint mir mit Menschen voll
Die alle die Nacht reich machen soll.


  Max Dauthendey . 1867 - 1918






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