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Gedichte, Lyrik, Poesie

Die ewige Hochzeit. Der brennende Kalender
162 Bücher



Max Dauthendey
Die ewige Hochzeit. Der brennende Kalender . 1. Auflage 1905



November

Bin heut im erstarrten Garten gewesen,
Wo ich in Deinem Auge einst Lieder gelesen;
Wo die Biene den Tropfen Seligkeit sog,
Und wie ein Stückchen Himmel der Schmetterling flog.
Wo der Mond aufstieg wie der Liebe Lob,
Wie ein Herz das sich von der Erde hob,
Und wo jetzt die Wurzeln der Blumen verwesen
Hab ich in toten Blättern noch Lieder gelesen.




Allerseelen

Du nahst wie ein Nebel, Du armes Kind,
Weil Deine Kammern Dir bodenlos sind.
Auf Deinen Dielen sind blutende Flecken,
Dein Rock und Schuh kann nicht alle verstecken.
Du und Dein Herz Ihr habt vereint
Blut in den dunkeln Kammern geweint.
Wie ein Nebel irrt Dein Leib ohne Laut,
Dein Fuß nicht aufzutreten sich traut;
Denn tötliche Träume sie wurden wahr,
Wie ausgebrannt ergraut Dir Dein Haar.
Froh lebten Dir Deine Hände vom Geben,
Sie starben, Du mußtest die Hand überleben.
Deine Augen wurden zwei dunkle Gedanken,
Zwei Nächte die durch die Kammern wanken;
Du lehnst auf den Schwellen, nicht drinnen, nicht draußen,
Weil Dich die blutenden Dielen grausen.




Die Raben stehlen die Monde
Der Nacht von ihrer Wand,
Und haben sie alle begraben
Draußen im Ackerland.

Alles was glänzt das graben
Sie ein in Erd und Sand;
Es stahlen mir diebische Raben
Das Herz vom Schatz aus der Hand.

Muß jetzt im Dunkel sitzen
Und kenn mich nicht mehr aus;
Wenn die Augen der Katze blitzen
Glaub ich sein Herz kommt nach Haus.




Wie in dem Keller der Schimmel
Wachsen Wolken über die Stadt;
Das Fenster ist blind wie der Himmel,
Und die Dinge leben nur matt.

Ich habe nicht viel zu sagen,
Die Taschen sind alle leer;
Ich lasse den Hunger nagen,
Und nichts verwundert mich mehr.

Da find ich im toten Zimmer
Von der Liebsten ein glitzerndes Haar;
Mein Herz glänzt bei seinem Schimmer
Und vergißt daß es hungrig war.


  Max Dauthendey . 1867 - 1918






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November, Max Dauthendey