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Max Dauthendey
Reliquien
. 3. Auflage 1913
Gerne liege ich im Grase horchend,
Wenn die Winde hohen Bäumen Ausdruck geben,
Daß die Zweige Menschengesten zeigen,
Und die Blätter seelenvoll wie Menschenhände leben.
Niemand weiß es, wo die Winde wohnen,
Sie erscheinen in dem Walde und verschwinden.
Und der Baum, den sie kaum wecken,
Niemals sieht der Baum sie wieder.
Wenn der Regen fällt am Nachmittage,
Werden wärmer im gedämpften Zimmer alle Menschen,
Und die Regentropfen freuen mich erregend,
Sie, die plötzlich leben, plötzlich sterben;
Rings die Luft füllt sich mit Totenkälte,
Und die Menschen werden zarter bei dem tausendfachen Sterben.
Kommt der Abend,
Fühle ich die große Sehnsucht kaltwerdender Erde,
Und die Sonne wird noch einmal groß und stirbt schmerzend schön.
Schmerzend schön werden auch die Menschen, wenn sie scheiden.
Die verlassnen, sonnenleeren Bäume,
Wolken, die nach Westen schauen,
Eine letzte Hummel rennt vorüber.
Hinter ihr schließt sich die Stille.
Aber von den Unergründlichkeiten
Murmelt irgendwo eine lautgewordne Quelle.
Denn die tiefgebornen Quellen
Sprechen gerne mit den Nächten,
Nur am Tage spricht die Quelle mit sich selbst.
Max
Dauthendey . 1867 - 1918
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