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Max Dauthendey
Weltspuk
. 1. Auflage 1910
Nachtschnee
Nachtwelt hängt dort in weißen Uferstücken,
Gerade fort ziehn Brücken übers junge Eis,
Sind off'ner Wasserstellen dunkle lange Lücken,
Wie viele Ellen Schrift von Schwarz auf Weiß.
Der weiche Schnee, er dämpft den lauten Schuh,
Und stille Geister an der Schneewelt bauen;
Mit feinem Schneegeriesel rieselt ewige Ruh,
Daß sich die Lippen kaum zu reden trauen.
Und Fuß und Worte sinken lautlos tief,
Ein Weg, der weiß erhellt, läuft ohne Ende;
Und keine Dunkelheit ist in den Weg gestellt,
Schneenacht ist linnenlicht und ohne Wände.
Nur als zwei Schatten gingen wir im Schnee,
Wie Zweie, die sich nicht zur Ruh hinbringen,
Und hingen noch dem Leben dicht am Schuh,
Auch zwischen blinden abgestorbenen Dingen.
Platt übern Weg sprang eine Katze hin,
Pechschwarz im Schnee, mit aufgeregtem Sprunge;
So schossen uns Gedanken durch den Sinn
Und flogen halb im Satze von der Zunge.
Vergangenes stand nah in dunklen Lücken,
Lief wie die Wasserschrift durchs halbgefrorene Eis,
Zerrissen wie ein Brief in tausend Stücken;
Und Schnee schlief brütend drüber, wie ein Greis.
Nachtschnee, der aus sich selbst wie Phosphor blendet,
Vor dem das Dunkel keine Ruhe hat,
Durch Nachtschnee läuft der Weg, der niemals endet,
Und ist wie Ewigkeit, die keiner noch zertrat.
Max
Dauthendey . 1867 - 1918
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